Heinz-Christian Strache HC sagt Ade

Wien · Heinz-Christian Strache, ehemaliger FPÖ-Chef und ehemaliger Vizekanzler Österreichs, bekundet, er wolle seine politische Karriere beenden. Die Rechtspopulisten suspendieren die Mitgliedschaft ihres früheren Anführers.

 Heinz-Christian Strache, ehemaliger Vizekanzler Österreichs, am Dienstag in einer Wiener Weinbar.

Heinz-Christian Strache, ehemaliger Vizekanzler Österreichs, am Dienstag in einer Wiener Weinbar.

Foto: AP/Ronald Zak

Die weitaus schlimmeren Sünden, seine Demokratiefeindlichkeit, die Allmachtsfantasien und nicht zu vergessen seine Korruptionsanfälligkeit, die er auf dem berühmt-berüchtigten Ibiza-Video zum Besten gab, haben ihm die Fans noch verziehen. Dass die rechtskonservative Koalition unter Kanzler Sebastian Kurz Ende Mai an dem Ibiza-Skandal zerbrochen ist – was soll’s? „A b’soffene G’schicht“, wand sich Heinz-Christian Strache zunächst erfolgreich aus der Affäre. Wem passiert so etwas nicht?

Doch dann kam kurz vor der Wahl am vergangenen Sonntag noch ein veritabler Spesenskandal auf. Dass Strache, wie mittlerweile auch die Führung der FPÖ in Wien bestätigt, jahrelang monatlich um die 40.000 Euro kassiert hat – neben dem Abgeordneten- und später dem Vizekanzlergehalt zusätzlich 10.000 Euro für „Spesen“ und 2500 Euro „Mietzuschuss“ –, war selbst den naivsten und treuesten Strache-Anhängern zu viel. Der Absturz der FPÖ am Wahlsonntag von 26 auf 16 Prozent der Stimmen war die Quittung.

Die blinde Begeisterung, die auf Straches Facebookseite jahrelang tobte, wich fast schlagartig einer ausufernden Wutwelle: „Je eher dich die Partei ausschließt, umso besser für ihre Zukunft“, postete ein früherer Strache-Fan. Ein anderer zürnt: „Sei doch endlich ruhig.“ Ausgerechnet „unser Hace“, wie sie ihn nannten, der sich stets als großer Beschützer des „kleinen Mannes“ aufspielte, strich mehr als das 20-fache eines Durchschnittsverdieners ein.

Strache bestritt am Dienstag erneut alle Vorwürfe. Er hatte Journalisten zu einer „persönlichen Erklärung“ in eine Weinbar im Zentrum Wiens geladen. Er spricht weiterhin von „Verleumdung gegen mich und meine Familie, die in den letzten Monaten mehr ertragen musste, als sich so mancher vorstellen kann“. Er werde daher seine FPÖ-Mitgliedschaft „ruhend stellen“, bis die Lage rechtlich geklärt sei, und kündigte zugleich seinen „vollständigen Rück­zug aus der Politik“ an. Sein Nachfolger Norbert Hofer reagierte wenig später mit der dürren Aussage: „Ich nehm’s zur Kenntnis.“ Am Abend dann teilte Hofer nach stundenlangen Sitzungen der Parteigremien mit, dass die FPÖ die Mitglied­schaft von Strache suspendiere. Sollten sich die Vorwürfe gegen Strache in der Spesenaffäre bestätigen, könnte sogar der komplette Ausschluss aus der Partei folgen.

Heinz-Christian Strache beklagte sich darüber, dass die neue Parteiführung seit seinem Rücktritt Ende Mai nicht das Gespräch mit ihm gesucht habe. Offenbar wollte er den Parteivorstand mit seinem „Angebot“ milde stimmen – was offenbar misslang. 

Strache fühlt sich nach wie vor der FPÖ zugehörig: Mehrfach und fast flehentlich betonte er seine Verbundenheit mit der „freiheitlichen Familie“ und sorgte sich, dass „eine Spaltung der Partei um jeden Preis verhindert werden“ müsse. Ob er sich wirklich aus der Politik zurückzieht, wird eher bezweifelt: Medien berichten über eine frisch registrierte Internetadresse namens „Liste-Strache.at“; dem Vernehmen nach will er in einem Jahr zur Wien-Wahl antreten.

Hofer steht unter wachsendem Druck, unter die Strache-Ära einen dicken Strich zu ziehen. Manche FPÖ-Landeschefs fürchten, sonst könne ein Neubeginn nicht gelingen. Der Oberösterreicher Manfred Haimbuchner, der bereits als Nachfolger Hofers – er soll stellvertretender Parlamentspräsident werden – im Gespräch ist, plädierte indirekt für einen Ausschluss Straches. Der Vorarlberger FPÖ-Chef Christoph Bitschi urteilte über ihn in einem Radio-Interview: „Er hat der FPÖ und dem Land großen Schaden zugefügt.“ Die nächsten FPÖ-Wahlschlappen drohen noch in diesem Jahr bei Regionalwahlen in Vorarlberg und in der Steiermark.

Straches politisches Ende war bis vor wenigen Monaten noch undenkbar. Der heute 50-Jährige stand 14 Jahre an der FPÖ-Spitze, führte die Partei nach dem Kollaps der Ära Jörg Haiders zu ihren größten Erfolgen. Doch in der Regierung Kurz konnte die Strache-Truppe den Hals nicht vollkriegen, die Koalition scheiterte nach nur 17 Monaten an Geldgier, Machtmissbrauch und Inkompetenz. (mit dpa)

(gru)
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