„Sehr gefährliche Lage“ Heiko Maas besucht Bürgerkriegsland Libyen

Tripolis · Deutschland hat im Libyenkonflikt eine wichtige Vermittlerrolle übernommen. Mit einem überraschenden Kurzbesuch will Außenminister Maas dieser Rolle gerecht werden. Die Aussicht auf Erfolg ist aber weiterhin sehr unsicher.

 Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) steigt aus dem Flugzeug. (Archiv)

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) steigt aus dem Flugzeug. (Archiv)

Foto: dpa/Michael Fischer

Sieben Monate nach dem Berliner Libyen-Gipfel besucht Bundesaußenminister Heiko Maas überraschend das Bürgerkriegsland, um zu einer Entschärfung des festgefahrenen Konflikts beizutragen. Nach seiner Landung mit einer Bundeswehr-Militärmaschine in der Hauptstadt Tripolis sprach er am Montag von einer „sehr gefährlichen Lage“ in dem nordafrikanischen Land. „Wir sehen in Libyen im Moment eine trügerische Ruhe. Beide Seiten und ihre internationalen Verbündeten rüsten das Land weiter massiv auf und halten an Vorbedingungen für einen Waffenstillstand fest.“

In Tripolis will Maas neben anderen den Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch treffen, der mit dem mächtigen General Chalifa Haftar um die Vorherrschaft in dem ölreichen Land ringt. Dabei will er sich unter anderem für die Einrichtung einer entmilitarisierten Zone um die strategisch wichtige Stadt Sirte am Mittelmeer einsetzen.

Deutschland hat mit dem Gipfel im Januar eine Vermittlerrolle in dem Konflikt eingenommen und bemüht sich vor allem darum, die Einmischung von außen einzudämmen. Noch am Montagabend will Maas in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) weiterreisen, die zu den wichtigsten Verbündeten Haftars zählen.

Im Libyen herrscht seit dem vom Westen unterstützten Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 Bürgerkrieg. Al-Sarradschs Regierungstruppen werden vor allem von der Türkei und Katar unterstützt, Haftar von Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Ägypten. Für Deutschland ist eine Lösung auch wichtig, weil die chaotischen Zustände in Libyen das Geschäft von Schlepperbanden begünstigen, die Migranten illegal über das Mittelmeer nach Europa bringen.

Für Maas ist es der erste Besuch in Libyen seit dem Berliner Gipfel, dessen Abschlusserklärung bis heute so gut wie nicht umgesetzt ist. Die Teilnehmer hatten sich unter anderem dazu verpflichtet, Waffenlieferungen an Libyen einzustellen. Dazu ist es nach Angaben der Vereinten Nationen aber nicht gekommen. Sie registrieren vor allem Verstöße der Türkei und der VAE gegen das Waffenembargo. Beide Länder haben die Berliner Erklärung unterzeichnet.

Die Europäische Union versucht nun zweigleisig den Waffenschmuggel einzudämmen:

- Die Militärmission „Irini“ soll Waffenlieferungen erkennen und zumindest auf dem Seeweg auch stoppen. Anfang des Monats brach die deutsche Fregatte „Hamburg“ ins Mittelmeer auf, um sich daran zu beteiligen. Außerdem stellt die Bundeswehr ein Aufklärungsflugzeug und Personal im operativen Hauptquartier in Rom und auf dem Flaggschiff.

- Zusätzlich haben Deutschland, Frankreich und Italien in der EU eine Initiative ergriffen, um Unternehmen und Einzelpersonen zu sanktionieren, die Schiffe und Flugzeuge für den Transport von Waffen stellen. Konkret geht es um drei Firmen aus der Türkei, Jordanien und Kasachstan sowie um zwei Personen aus Libyen. Als zweiter Schritt seien Sanktionen gegen Staaten denkbar, aus denen Waffen oder Söldner kommen, hatte Maas im Juli gesagt.

Für ihn zählt der Libyenkonflikt zu den wichtigsten Themen seiner Amtszeit. Es ist neben den Kämpfen zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen in der Ostukraine die einzige größere militärische Auseinandersetzung, in der Deutschland als Vermittler in erster Reihe auftritt.

Nach monatelangen Kämpfen haben sich die Gefechte in Libyen zumindest vorübergehend etwas beruhigt. Mit militärischer Unterstützung der Türkei war es den Regierungstruppen von Ministerpräsident Al-Sarradsch gelungen, die von Haftar angeordnete Offensive auf Tripolis abzuwehren. Haftars Verbündete wurden bis zur Küstenstadt Sirte zurückgedrängt. Sie liegt am Mittelmeer auf halber Strecke zwischen den beiden Machtzentren Tripolis und Bengasi und ist für den Zugang zu den Ölreserven des rohstoffreichen Wüstenstaats von großer Bedeutung.

In Sirte droht aber schon die nächste militärische Konfrontation. Die Regierungstruppen hatten Mitte Juli erklärt, die Stadt von Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA) zurückerobern und ihre Kontrolle über „das ganze libysche Hoheitsgebiet“ ausdehnen zu wollen. Allerdings hat Ägypten für den Fall eines Angriffs auf Sirte gedroht, militärisch einzugreifen.

Die Vereinten Nationen haben einen Vorschlag für eine entmilitarisierte Zone um Sirte gemacht, den Maas unterstützt. Er will in Tripolis auch für eine gerechte Verteilung der Öleinnahmen werben. „Auch die Situation der Flüchtlinge in Libyen wird Inhalt meiner Gespräche sein“, sagte Maas nach seiner Ankunft. Schleusernetzwerke müssten endlich wirksam bekämpft werden. „Deutschland ist weiterhin bereit, mit seinen europäischen und internationalen Partnern Libyen auf diesem Weg zu unterstützen.“

Viele Migranten versuchen weiterhin die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer auf ihrem Weg nach Europa. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zufolge fing die libysche Küstenwache seit Jahresbeginn fast 2200 Menschen auf See ab und brachte sie zurück an die libysche Küste, die meisten von ihnen kamen aus dem Sudan (76 Prozent) und Somalia (10 Prozent). Die Internationale Organisation für Migration (IOM) hatte das Elend der Migranten in Libyen als „unerträglich“ bezeichnet, nachdem im Juli drei Menschen beim Versuch erschossen worden waren, nach ihrer Rückkehr vom Meer ans Festland die Flucht zu ergreifen.

(juw/dpa)
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