Frankreichs Ex-Präsident droht Ermittlungsverfahren Hat Sarkozy illegale Wahlkampfspenden angenommen?

Bordeaux · Wegen des Verdachts der illegalen Wahlkampffinanzierung ist Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy am Donnerstag erstmals von einem Untersuchungsrichter vernommen worden. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von einem großen Medienrummel traf der 57-Jährige am Morgen im Justizpalast der südwestfranzösischen Stadt Bordeaux ein. Sarkozy droht die Eröffnung eines Ermittlungsverfahren.

 Frankreichs Ex-Präsident wurde vor die Justiz zitiert.

Frankreichs Ex-Präsident wurde vor die Justiz zitiert.

Foto: TF1, AFP

Die Ermittler in Bordeaux untersuchen seit Monaten die dubiosen Finanzströme im Imperium der 90-jährigen L'Oréal-Milliardärin Liliane Bettencourt, die seit 2006 an fortschreitender Demenz leidet und im Oktober 2011 deshalb entmündigt wurde. Gegen Sarkozy könnte ein Ermittlungsverfahren wegen "Ausnutzung der Schwäche" der reichsten Frau Frankreichs eröffnet werden; es besteht der Verdacht, dass Vertraute Bettencourts das Geld der greisen Milliardärin ohne deren klares Einverständnis verwalteten und ausgaben.

Sarkozy könnte in Bordeaux aber auch als Zeuge mit Rechtsbeistand eingestuft werden, was in Frankreich einem Zwischenstatus zwischen Beschuldigtem und Zeugen entspricht. Seine Befragung durch Untersuchungsrichter Jean-Michel Gentil, der für die Ermittlungen in der weitverzweigten Bettencourt-Affäre zuständig ist, könnte bis in die Nacht dauern.

Hat Bettencourt Sarkozy unterstützt?

Konkret geht es um den Vorwurf, dass Bettencourt den Präsidentschaftswahlkampf Sarkozys im Jahr 2007 mit illegalen Spenden unterstützt haben soll. Geprüft werden entsprechende Zeugenaussagen sowie unter anderem zwei Bar-Abhebungen von Bettencourts Konten in Höhe von je 400.000 Euro im Februar und April 2007.

Bettencourts Vermögensverwalter soll auch Ende 2008, als Sarkozy schon Staatschef war, zweimal je eine Million Euro in bar von Schweizer Konten der Milliardärin abgehoben haben. Alle Abhebungen sollen in zeitlicher Nähe zu Treffen mit Sarkozy-Vertrauten oder sogar Sarkozy selbst erfolgt sein.

Sarkozy, dessen Immunität als Staatschef Mitte Juni erloschen war, wies bereits mehrfach alle Vorwürfe zurück. Nach Angaben aus seinem Umfeld ging er zuversichtlich in das Verhör in Bordeaux, er sei sich sicher, dass er "unangreifbar" sei. In Frankreich sind Parteispenden von Privatpersonen nur bis zu einer Höhe von 7500 Euro im Jahr erlaubt.

Die Ermittler aus Bordeaux hatten bereits Anfang Juli Sarkozys Wohnung und Büros durchsuchen lassen. Der 57-Jährige ist nach Jacques Chirac erst der zweite Präsident Frankreichs, der seit 1958 von einem Untersuchungsrichter vorgeladen wurde.

Im Zusammenhang mit der Finanzaffäre Bettencourt laufen bereits 15 Ermittlungsverfahren in Bordeaux. Dabei geht es auch um schweren Betrug und Vorteilsnahme. Zu den Beschuldigten zählt der frühere Schatzmeister der konservativen Partei UMP von Sarkozy, Eric Woerth, der im Zuge der Affäre als Arbeitsminister hatte zurücktreten müssen.

Das Verhör des Ex-Präsidenten kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Anhänger der konservativen UMP auf ein Comeback Sarkozys hoffen. Der 57-Jährige, der im Mai die Präsidentschaftswahl gegen den Sozialisten François Hollande verloren hatte, tritt derzeit in der Politik öffentlich nicht mehr in Erscheinung.

Weitere Affären

Sarkozy ist aber noch in eine Reihe weiterer Affären verwickelt, in denen er als Staatschef vor einer Zeugenaussage oder womöglich sogar Strafverfolgung geschützt war:

GADDAFI-GELDER: Sarkozy wird zudem vorgeworfen, dass sein Wahlkampf 2007 von dem früheren libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi mit 50 Millionen Euro unterstützt worden sei. Noch als Präsident nannte er den Verdacht "grotesk" und erstattete Anzeige gegen den Internet-Enthüllungsdienst Mediapart, der dazu ein angebliches Dokument veröffentlicht hatte. Die Staatsanwaltschaft Paris ermittelte wegen des Verdachts auf Fälschung des Dokuments, zum Vorwurf der illegalen Wahlkampf-Finanzierung laufen bisher keine Ermittlungen.

UMFRAGEN-AFFÄRE: Die Justiz in Paris leitete diese Woche Vorermittlungen zu dem Vorwurf ein, der Elysée-Palast habe unter Sarkozy in den Jahren 2007 bis 2012 ohne ordnungsgemäße öffentliche Ausschreibung eine Reihe von Umfragen in Auftrag gegeben. Die Antikorruptionsgruppe Anticor hatte dazu eine Anzeige wegen Begünstigung und Veruntreuung öffentlicher Gelder erstattet, die sich indirekt auch gegen Sarkozy richtet.

Insbesondere besteht der Verdacht, dass der langjährige Vertraute und Wahlkampfberater Sarkozys, der dem äußersten rechten Lager zugerechnete Journalist Patrick Buisson, über sein Beratungsunternehmen Publifact von Verträgen in Millionenhöhe profitierte.

KARACHI-AFFÄRE: In dem Fall geht es um Gelder, die für ein Waffengeschäft nach Pakistan und dann teils wieder zurück nach Frankreich geflossen sein sollen, um den Präsidentschaftswahlkampf 1995 des damaligen Premierministers Edouard Balladur mitzufinanzieren. Sarkozy, der jegliche Verwicklung in die Affäre bestreitet, war zu der Zeit Haushaltsminister und Wahlkampfsprecher Balladurs. Zeugen behaupten, er habe die Gründung einer Firma in Luxemburg gebilligt, über die die Gelder geflossen sein sollen. Die Schmiergeldzahlungen waren bis zum Jahr 2000 legal, nicht aber womöglich zurückgeflossene Summen.

(AFP)
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