Türkische Präsidentenwahl Gül scheitert auch im zweiten Durchgang

Ankara (RPO). Auch im zweiten Wahlgang zur Präsidentenwahl hat der türkische Außenminister Abdullah Gül die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt, wie ein Fernsehsender berichtete. Beobachter hatten mit einer weiteren Niederlage des Kandidaten der konservativ-islamischen Regierungspartei AKP gerechnet. Im dritten Wahlgang benötigt Gül lediglich die einfache Mehrheit, um zum Präsidenten der Türkei gewählt zu werden.

Angesetzt ist die Runde der türkischen Präsidentenwahl für den kommenden Dienstag. Beim ersten Versuch hatte Außenminister Abdullah Gül am Montag im Parlament der Hauptstadt Ankara nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhalten. Die AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte die vorgezogene Parlamentswahl im Juli klar gewonnen und verfügt über 341 der 550 Sitze im Parlament. Bei der Abstimmung am Montag kam Gül genau auf diese 341 Stimmen - für die Zweidrittelmehrheit sind 367 Stimmen erforderlich.

Im Mai hatte Güls Kandidatur für die Nachfolge von Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer einen Boykott im Parlament und eine Staatskrise ausgelöst, in die sich schließlich auch die Militärführung eingeschaltet hat. Gül hat angekündigt, dass er als Staatsoberhaupt die säkulare Staatsordnung der Türkei schützen und den geplanten EU-Beitritt forcieren werde.

Der Handwerkersohn aus der zentralanatolischen Stadt Kayseri, geboren am 29. Oktober 1950, folgte bereits in seiner Jugend dem islamistischen Kurs von Necmettin Erbakan und dessen Wohlfahrtspartei. In Istanbul studierte Gül Volkswirtschaft, für seine Dissertation war er auch zeitweise in England. Nach dem Militärputsch von 1980 kam Gül kurzzeitig ins Gefängnis - die Streitkräfte der Türkei stehen traditionell für einen strikt säkularen Kurs.

Seit 1991 ist Gül Abgeordneter im Parlament - bei seiner ersten Wahl trat er mit persönlicher Unterstützung Erbakans in Kayseri für die Wohlfahrtspartei an. Aus dieser Partei wurde nach dem Verbot vom Januar 1998 die Tugendpartei und nach deren Verbot 2001 die jetzige Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP). Recep Tayyip Erdogan übernahm den Parteivorsitz, Gül wurde sein Stellvertreter.

Umgekehrt war das Verhältnis bei der Regierungsbildung nach dem überraschenden Wahlsieg der AKP im November 2002: Weil Erdogan die Übernahme eines politischen Amts gerichtlich untersagt war, übernahm Gül die Leitung des Kabinetts. Nach Aufhebung des Verbots wurde 2003 gewechselt: Erdogan ist seitdem der Regierungschef, Gül sein Außenminister.

Damals galt Gül für die säkular gesonnene und westlich orientierte Elite der Türkei als die bessere Wahl zu Erdogan. Schließtlich war der dreifache Vater stets der liberalere der beiden. Er traf sich mit ausländischen Journalisten und distanzierte sich als einer der ersten in der islamischen Bewegung von Erbakan. Aber als Gül im April dieses Jahres von der AKP für das Amt des Staatspräsidenten vorgeschlagen wurde, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Hunderttausende Anhänger der Opposition gingen auf die Straße, und in der drohenden Staatskrise meldeten sich erneut die Generäle zu Wort: Sie äußerten ihre Sorge um die weltliche Staatsordnung, was als indirekte Drohung mit einem Militärputsch verstanden wird.

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