Corona-Krise in Großbritannien Boris Johnson muss aus dem Krankenhaus regieren

Die Nachricht traf eine immer nervöser werdende Nation hart: Der britische Premierminister Boris Johnson wurde in der Nacht zum Montag in ein Londoner Krankenhaus eingeliefert. Und in der Regierungzentrale soll es bereits Querelen geben.

 Fotografen warten vor dem St. Thomas Hospital, in dem Boris Johnson behandelt wird.

Fotografen warten vor dem St. Thomas Hospital, in dem Boris Johnson behandelt wird.

Foto: AFP/TOLGA AKMEN

Johnson hatte sich vor rund zehn Tagen mit dem Coronavirus infiziert. Während seiner Quarantäne postete er Videos, die signalisieren sollten, dass es ihm den Umständen entsprechend gut gehe. Offensichtlich war allerdings, dass der immer erschöpfter wirkende Regierungschef mit Covid-19 zu kämpfen hatte. Als er am Sonntagabend immer noch Fieber und Husten hatte, rieten die Ärzte zur Fahrt in die Klinik.

Es sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, beeilte sich ein Sprecher zu versichern. Der Premierminister unterziehe sich einer Reihe von Routineuntersuchungen. Und er habe eine gute Nacht gehabt. Robert Jenrick, Minister für das Wohnungswesen, unterstrich am Morgen, Johnson führe die Regierungsgeschäfte. Freilich hatte die Leitung der Covid-19-Morgenlage Außenminister Dominic Raab übernommen. Raab ist die Nummer zwei der ministeriellen Rangfolge und würde Johnson vertreten, sollte der ausfallen.

Noch ist es nicht so weit. Aber die Briten machen sich Sorgen. Der 55 Jahre alte Premierminister gehört als rund 180 Zentimeter großer Zweizentnermann zur Gruppe der Adipösen, deren Erkrankung oft schwerer verläuft. Gesundheitsminister Matt Hancock, der sich gleichzeitig mit Johnson angesteckt hatte, ist schon über den Berg, aber er ist auch 14 Jahre jünger und um einige Kilogramm leichter.

Nachdem Johnson praktisch ausgefallen war, wurde Hancock immer mehr zum Gesicht des staatlichen Abwehrkampfs. Er versprach, die Zahl der Tests bis zum Monatsende auf 100.000 pro Tag zu erhöhen, und versuchte der Nation zu vermitteln, dass die Regierung weiß, was sie tut. Ein Bericht der „Sunday Times“ allerdings nährt Zweifel daran. Er zeichnet ein düsteres Bild von Querelen in der Machtzentrale. Zwischen Hancock und seinem Kollegen Michael Gove, der die Regierungsarbeit koordiniert, soll es wiederholt Krach gegeben haben. Der Beamtenapparat reagiere zu langsam. Den zentralistisch organisierten nationalen Gesundheitsdienst NHS leiteten Primadonnen, hieß es, die sich vom Minister nichts sagen lassen wollen. Es ist ein Bild von Diadochenkämpfen, Chaos und Inkompetenz. Wer noch nicht nervös war, kann es nach der Lektüre werden.

Umso wichtiger wäre es, dass ein genesener Johnson wieder das Kommando übernimmt. Raab ist zwar nach ihm das ranghöchste Kabinettsmitglied, aber sein Ressort hat im Moment nicht viel Relevanz. Die entscheidenden Politiker sind derzeit Gove und Hancock. Mittelfristig wird Finanzminister Rishi Sunak noch wichtiger, denn die Diskussion beginnt, wie lange die Einschränkungen durchzuhalten sind.

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