Parlamentswahlen Griechenland vor dem Wechsel – war’s das für Tsipras?

Athen · Griechenland gibt sich am Sonntag ein neues Parlament. Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis geht als haushoher Favorit in die Wahl. Tsipras gibt sich aber nicht geschlagen - und verspricht Arbeitsplätze sowie mehr Geld.

In Griechenland stehen bei der Parlamentswahl am Sonntag die Zeichen auf einen politischen Wechsel. Nach viereinhalb Jahren an der Macht müssen Premierminister Alexis Tsipras und sein Bündnis der radikalen Linken (Syriza) wahrscheinlich auf die Oppositionsbänke im Athener Parlament zurückkehren. Nächster Ministerpräsident dürfte Kyriakos Mitsotakis werden. Seine konservativ-liberale Nea Dimokratia (ND) liegt in allen Meinungsumfragen klar vorn.

„Am Sonntag wählen wir, am Montag schlagen wir eine neue Seite auf“ rief Mitsotakis am Donnerstagabend bei einer Wahlkundgebung am Fuß der Athener Akropolis seinen Anhängern zu. „Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, wir kennen den Weg, wir wissen, wie wir Griechenland endlich voranbringen können“, so der Oppositionschef. Er will Steuern und Sozialversicherungsbeiträge senken, Investitionen fördern und den Mindestlohn schrittweise von 650 auf 730 Euro erhöhen. Finanziert werden sollen die Steuererleichterungen über Einsparungen bei den Ausgaben und das höhere Wirtschaftswachstum, das sich Mitsotakis von seiner Politik verspricht.

Kein gutes Haar lässt der Oppositionschef, der in den USA studiert hat und Partner der amerikanischen Beratergesellschaft McKinsey war, an Tsipras und seiner Regierung: „Sie sind mit Lügen an die Macht gekommen, sie haben mit Arroganz und beispielloser Inkompetenz regiert, und sie gehen, ohne dass sie verstanden haben, warum sie abgewählt werden“, sagte Mitsotakis bei der Athener Kundgebung.

Tsipras gibt sich aber nicht geschlagen. „Das Volk hat das letzte Wort noch nicht gesprochen“, rief er am Donnerstag bei einer Kundgebung im nordgriechischen Thessaloniki. Er verspricht eine halbe Million neue Arbeitsplätze, höhere Mindestlöhne und 25.000 Einstellungen im Staatsdienst. Die linke Kern-Klientel bleibt Syriza offenbar mehrheitlich treu. Aber Wahlforschern zufolge verliert das Linksbündnis vor allem in der politischen Mitte Stimmen – eine Quittung für die massiven Steuererhöhungen, mit denen Tsipras in den vergangenen Jahren die Mittelschicht schröpfte und die Wirtschaft abwürgte. So mussten Pensionäre sich Einkünfte etwa aus Ferienhäuser auf ihre Rente anrechnen lassen, obwohl sie die durch ihr Lebenseinkommen erwirtschaftet hatten.

Tsipras setzt jetzt wieder auf Polarisierung, malt den Zuhörern in Thessaloniki düstere Schreckensbilder aus: Wenn Mitsotakis gewinne, drohe in Griechenland „das Gesetz des Dschungels“. Er könne es sich nicht vorstellen, dass die Griechen am Sonntag wieder jenen die Macht übertragen, „die unsere Kassen geplündert haben und nun nach jenen Früchten greifen, die wir mit unseren Opfern in der Krise geerntet haben.“ Als Fußballfan kennt Premier Tsipras das „Wunder von Anfield“, den unerwarteten 4:0-Sieg von Liverpool über Barcelona im Halbfinale der Champions League. Er glaubt, dass ihm eine ähnliche Überraschung gelingen kann, wie sie Liverpool mit dem entscheidenden Tor in der Nachspielzeit glückte. „Das Comeback hat bereits begonnen“, rief Tsipras den Zuhörern in Thessaloniki zu.

Aber danach sieht es nicht aus. Die Meinungsforscher erwarten einen klaren Sieg der Konservativen und sie haben sich in den jüngeren Wahlen in Griechenland selten geirrt. Danach liegt Stimmenanteil der Konservativen in den Erhebungen bei 35 bis 42 Prozent. Je nach Umfrage führt die Nea Demokratia mit acht bis 15,5 Prozentpunkten Vorsprung vor Syriza. Das würde für eine absolute Mehrheit der Konservativen im nächsten Parlament reichen. Denn der Sieger erhält nach dem griechischen Wahlrecht 50 Extra-Mandate. Damit dürften am Montag klare Verhältnisse herrschen – voraussichtlich mit einem neuen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort