Saudi-Arabien nimmt Kurs auf die Moderne Gnade für Frauen am Steuer

Düsseldorf (RPO). Der saudische König hat Shayma Jastaniah begnadigt. Die Frau war zu zehn Peitschenhieben verurteilt worden, weil sie verbotenerweise Auto gefahren war. Das mittelalterlich anmutende Urteil passte dem König gar nicht in den Kram. Shayma Jastaniah versucht das Land behutsam zu liberalisieren. Die Unterstützung der aufbegehrenden Frauen ist dem Monarchen sicher.

Frauen in Saudi-Arabien begehren auf
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Frauen in Saudi-Arabien begehren auf

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In Saudi-Arabien gilt das Recht der Scharia. Nirgendwo sonst wird der islamische Regelkodex so hart und dogmatisch ausgelegt wie in dem Land der Öl-Scheichs. Demokratie gibt es dort höchstens in Ansätzen, Menschenrechte finden keine Beachtung. Vor allem die Frauen leiden darunter. In der Saudi-Gesellschaft haben sie kaum eigene Rechte. Sie sind ans Haus gefesselt. Ohne Einverständnis des Ehemanns dürfen sie es nicht verlassen. Alles Eigenständige ist ihnen verboten.

Das Autofahren ist vor diesem Hintergrund zum Symbol des Widerstands gegen die Unterdrückung geworden. Im Juni hatte der subversive Protest einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. In einer groß angelegten Kampagne forderten Aktivisten die saudischen Frauen dazu auf, sich dem Fahrverbot im Königreich zu widersetzen.

Die Frauen begehren auf

Im Internet kursieren Videos von autofahrenden Frauen. Den Schleier, der normalerweise alles bis auf Augen und Hände verdecken soll, haben sie dabei abgelegt. Auch in dieser Woche wurden wieder eine Festnahme gemeldet. Saudischen Medienberichten zufolge hatte die Frau in der Hauptstadt Riad einen Wagen gelenkt und sich dabei von einer ausländischen Journalistin filmen lassen.

Das Gericht will damit zeigen: Frauen die so etwas tun, riskieren viel. Am Dienstag verurteilte ein Gericht im saudischen Dschidda die rebellische Shayma Jastaniah zur körperlichen Züchtigung durch zehn Peitschenhiebe. Es war das erste Mal, dass eine Frau wegen unerlaubten Autofahrens vor Gericht gestellt wurde. Meist stoppt die Polizei die Fahrerinnen, befragt sie und lässt sie wieder gehen, nachdem sie schriftlich zugesichert haben, künftig nicht mehr selbst zu fahren.

Auf Tradition begründet

Saudi-Arabien ist das einzige Land der Welt, in dem Frauen nicht Auto fahren dürfen. Familien sind gezwungen, Fahrer anzustellen. Wer die 300 bis 400 Dollar pro Monat dafür nicht aufbringen kann, muss sich auf männliche Verwandte verlassen, um zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen oder zum Arzt zu kommen.

Dabei ist das Autofahren für Frauen allein auf Tradition gegründet und rein formal betrachtet nicht wirklich verboten, wie der Jurist Sultan bin Zahem der saudischen Zeitung Madeeha erläuterte. Es gebe kein religiöses Gebot im Islam, das Frauen das Autofahren untersage. Das Urteil symbolisiert vielmehr die erzkonservative Denke der tief in Saudi-Arabien verankerten Kultur der Wahabiten: Es soll bestrafen, und andere davor abschrecken, auch nur an Aktivitäten zu denken, die Gesetze brechen und Chaos verursachen könnten, erläutert der Jurist. Die Rechtsprechung zementiert den Konservatismus.

Demokratie-Alibis

Doch das ist nur die eine, die dogmatische Seite des steinreichen Wüstenstaates. Auf der anderen stehen die Kräfte der Reformer, an ihrer Spitze der bereits 87-jährige König Abdullah. Zwei Tage nach dem aufsehenerregenden Peitschen-Urteil begnadigte er die Autofahrerin. Er soll verärgert gewesen sein, heißt es. Denn der König versucht das Land zu modernisieren. Am Donnerstag fand in dem streng islamischen Königreich am Donnerstag die zweite Kommunalwahl statt. Bisher sind nur Männer wahlberechtigt, ab 2015 aber sollen auch Frauen teilnehmen dürfen. Als Wählerin und als Kandidatin. Der König soll sich dazu mit dem den Islam-Gelehrten abgestimmt haben.

Die kleinen Reform-Schritte von König Abdullah mögen gemessen an demokratischen Standards winzig sein. Nur die Hälfte der Vertreter in den 285 Lokalparlamenten darf das Volk bestimmen, die anderen wählt der König aus. Für das Land bedeuten die Neuerungen dennoch eine mittlere Revolution. Offensichtlich hat der arabische Frühling auch das Königshaus beunruhigt. Zudem zeichnen sich auch innenpolitisch begründete Spannungen ab. Die Kluft zwischen Reich und Arm wächst.

Die Welt eine Scheibe

Doch die Gegenkräfte sind stark. Die strammen Konservativen finden sich nicht nur in den Reihen der Justiz, sondern auch bei den wahabitischen Geistlichen, die den Islam so radikal auslegen wie sonst kaum eine andere Ausrichtung der Weltreligion.

Wie viel die Vertreter der Wahabiten von der modernen Welt trennt, dokumentiert eine Ansicht des in ihren Reihen angesehen Scheichs Abdul Azis bin Baz. Vor etwa zwei Jahrzehnten soll er gesagt haben, die Erde sei ein Scheibe, man müsse nur weit genug gehen, um das zu begreifen.

mit Material von dapd

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