Scotland Yard ermittelt Giftanschlag auf russischen Ex-Spion

London (RPO). Auf einen früheren russischen Spion und Kreml-Kritiker ist in Großbritannien ein Giftanschlag verübt worden. Alexander Litvinenko liegt mit schweren Vergiftungssymptonen in einem Krankenhaus, wo er streng bewacht wird. Scotland Yard hat Ermittlungen aufgenommen.

Das University College Hospital beschrieb den Zustand des 43-Jährigen als "ernst, aber stabil". Nach Informationen der Zeitung "The Sunday Times" erlitt Litvinenko Schäden an Nieren und Knochenmark. Er müsse sich häufig übergeben und habe seine Haare verloren. Der Sender Sky News berichtete, der Exspion habe einen völligen Zusammenbruch des zentralen Nervensystems erlitten. Der Toxikologe John Henry, der Litvinenko behandelt, erklärte in der BBC, dieser sei mit Thallium vergiftet worden, einem als Rattengift verwendeten toxischen Metall.

Die "Sunday Times" schrieb, der Ex-Spion sei nach einem Treffen mit einem Italiener in einem Sushi-Restaurant am 1. November erkrankt. Der Italiener habe angegeben, Informationen über den Mord an der regierungskritischen russischen Journalistin Anna Politkowskaja zu haben. Politkowskaja wurde am 7. Oktober in Moskau ermordet. Sie schrieb unter anderem über Menschenrechtsverstöße russischer Sicherheitskräfte in Tschetschenien.

"Sie dachten vermutlich, ich wäre nach drei Tagen an Herzversagen gestorben", zitierte die "Sunday Times" Litvinenko, mit dem sie nach eigenen Angaben zuvor in einem anderen Krankenhaus sprach. "Ich fühle mich sehr schlecht. So habe ich mich noch nie gefühlt - als ob mein Leben am seidenen Faden hängt." Der Italiener sei nach dem Treffen in dem Restaurant verschwunden. Er könne den Mann jedoch nicht beschuldigen, an dem Giftanschlag beteiligt gewesen zu sein.

Der im Exil in Großbritannien lebende russische Milliardär Boris Beresowski erklärte der Nachrichtenagentur AP, er habe Litvinenko am Freitag im Krankenhaus besucht. Die Ärzte schätzten die Chancen für eine Genesung auf 50 zu 50 ein, erklärte er. "Er ist in schlechter Verfassung." Alex Goldfarb, der Litvinenko vor sechs Jahren bei dessen Asylantrag in Großbritannien half, sagte, sein Freund sehe aus wie ein Gespenst.

Beresowski sagte, Litvinenkos Familie habe sich an dieselben britischen Toxikologen gewandt, die auch den ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko behandelten. Er wurde vor der Präsidentenwahl 2004 Opfer eines Giftanschlags.

Litvinenko trat zu Sowjetzeiten dem Geheimdienst KGB bei und stieg bei dessen Nachfolgeorganisation, dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB, zum Oberst auf. Im November 2000 flüchtete er aus Russland und bat in Großbritannien um Asyl. Zwei Jahre zuvor hatte er seine Vorgesetzten beim FSB öffentlich beschuldigt, ihm die Tötung Beresowskis befohlen zu haben, der damals zum Machtzirkel des Kremls gehörte. Außerdem beschuldigte er FSB-Beamte, 1999 Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland koordiniert zu haben, bei denen 300 Menschen ums Leben kamen und die den zweiten Tschetschenien-Krieg auslösten. 1999 und 2000 verbrachte er unter dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs neun Monate im Gefängnis, wurde aber in einem Prozess freigesprochen.

(ap)
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