Nach schweren Zusammenstößen Anhänger ziehen nach Aufruf al-Sadrs aus Regierungsviertel im Irak ab

Bagdad · Die Geschwindigkeit, mit der die ersten Anhänger des Schiitenführers seinem Aufruf zum Abzug aus der Grünen Zone in Bagdad Folge leisten, unterstreicht seine politische Macht - nachdem er tags zuvor angekündigt hatte, sich aus der Politik zurückzuziehen.

 Muktada al-Sadr, schiitischer Geistlicher, hält nach der Gewalteskalation im Irak eine Rede in seinem Haus.

Muktada al-Sadr, schiitischer Geistlicher, hält nach der Gewalteskalation im Irak eine Rede in seinem Haus.

Foto: dpa/Anmar Khalil

Nach schweren Zusammenstößen mit irakischen Sicherheitskräften sind die ersten Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Muktada Al-Sadr seinem Aufruf zum Rückzug aus dem Regierungsviertel in Bagdad gefolgt. In der Grünen Zone, die die irakischen Regierungsgebäude und zahlreiche ausländische Botschaften beheimatet, war es seit Montag zu Gefechten gekommen, nachdem Al-Sadr seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hatte.

In einer im Fernsehen übertragenen Ansprache gab der Geistliche seinen Unterstützern am Dienstag eine Stunde Zeit, sich zurückzuziehen - binnen Minuten war zu beobachten, wie die ersten ihre Positionen aufgaben. Das irakische Militär verkündete die Aufhebung einer landesweiten Ausgangssperre und befeuerte damit Hoffnungen auf eine Beruhigung nach der Eskalation der politischen Krise in dem Land.

Al-Sadr, der seine Anhänger mit Aufrufen zur Revolution und zu Reformen Ende Juli dazu gebracht hatte, zwei Mal das Parlament zu stürmen und dort einen Sitzstreik zu beginnen, entschuldigte sich beim irakischen Volk. Er könne die Gewalt nicht unterstützen. Viele seiner Anhänger bauten daraufhin ihre Zelte ab und zogen aus dem Regierungsviertel ab. „Dies ist keine Revolution“, sagte Al-Sadr in seiner Fernsehansprache. Die unverzüglichen Folgen seiner Ansprache auf den Straßen unterstrichen seinen Einfluss auf seine Anhänger sowie letztlich auf die politische Klasse des Landes.

Nach der Ankündigung vom Montag, der Politik den Rücken zu kehren, hatten seine Anhänger den Regierungspalast in der Grünen Zone gestürmt. Die Demonstranten rissen die Zementbarrieren vor dem Regierungspalast mit Seilen nieder, durchbrachen die Türen und strömten ins Innere.

Am Tag danach war auf Live-Fernsehbildern zu sehen, wie die Al-Sadr treu ergebene Miliz Saraja Salam mit Panzerfäusten und Maschinengewehren auf die Grüne Zone feuerte. Sicherheitskräfte schossen sporadisch zurück, Panzer bezogen Stellung. Augenzeugen filmten die Schusswechsel mit ihren Handys und stellten die Videos online. Mindestens 30 Menschen wurden nach irakischen Angaben getötet, bevor Al-Sadr seine Anhänger zurückbeorderte. Mehr als 400 weitere wurden verletzt, wie zwei Vertreter der Gesundheitsbehörden am Dienstag sagten. Aus der irakischen Politik und seitens der Vereinten Nationen wurde zur Zurückhaltung aufgerufen.

Die nur noch geschäftsführend amtierende irakische Regierung ist weitgehend handlungsunfähig, seit Al-Sadrs Partei im Oktober bei der Wahl die meisten Parlamentssitze gewann, jedoch nicht genug, um eine Mehrheitsregierung zu bilden. Seine Weigerung, mit seinen vom Iran unterstützten schiitischen Rivalen zu verhandeln sowie der Rückzug seiner Bewegung aus dem Parlament und aus Gesprächen haben politische Unsicherheit geschaffen, die nun in Gewalt umschlug.

Das Nachbarland Iran schloss aufgrund der Unruhen alle Landgrenzen zum Irak, wie das iranische Staatsfernsehen berichtete. Iraner wurden aufgerufen, Reisen in den Irak zu meiden - und das unmittelbar vor einer Pilgerfahrt, für die jedes Jahr Millionen Iraner in den Irak kommen. Die Fluggesellschaft Emirates sagte für Dienstag alle Flüge nach Bagdad ab.

Auch Kuwait rief seine Bürger auf, das Nachbarland zu verlassen. Die staatliche Nachrichtenagentur Kuna forderte dazu auf, Reisepläne in den Irak fallen zu lassen. Die Niederlande haben ihre Botschaft in der Grünen Zone evakuiert, wie Außenminister Wopke Hoekstra am Dienstag twitterte. Die Mitarbeiter arbeiteten nun von der deutschen Botschaft an einem anderen Standort in der Stadt aus.

(mzu/dpa)
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