Gewalt und Eskalation Mindestens 300 Tote bei regierungskritischen Protesten in Bangladesch

Dhaka · Ursprünglich gingen die Demonstranten gegen eine Quotenregelung auf die Straße, inzwischen ist der Rücktritt der Regierung das Ziel. Die Proteste drohen außer Kontrolle zu geraten.

Während einer Demonstration, bei der Premierministerin Hasina Wajed zum Rücktritt aufgefordert wird, brennt ein Bekleidungsgeschäft, das von Randalierern in Brand gesteckt worden sein soll.

Während einer Demonstration, bei der Premierministerin Hasina Wajed zum Rücktritt aufgefordert wird, brennt ein Bekleidungsgeschäft, das von Randalierern in Brand gesteckt worden sein soll.

Foto: dpa/Abu Sufian Jewel

Bei den gewaltsamen Zusammenstößen bei regierungskritischen Protesten in Bangladesch sind mindestens 300 Menschen getötet worden. Dies ergab sich am Montag aus den offiziellen Zahlen von Polizei, Regierung und Krankenhäusern, die der AFP vorliegen. Allein am Sonntag wurden demnach 94 Menschen getötet. Angesichts angekündigter neuer Proteste gegen Regierungschefin Scheich Hasina patrouillierte am Montag ein riesiges Aufgebot an Sicherheitskräften in der Hauptstadt Dhaka.

Zahlreiche Soldaten und Polizisten kontrollierten am Montag die wichtigen Straßen von Dhaka. Zudem wurden laut dem Bericht eines AFP-Reporters die Zufahrtswege zum Sitz von Regierungschefin Hasina mit Hilfe von Stacheldraht abgeriegelt und verbarrikadiert. Mit dem massiven Sicherheitsaufgebot sollte die Einhaltung einer Ausgangssperre kontrolliert werden, die am Sonntagabend verhängt worden war.

Beobachter befürchteten, dass dessen ungeachtet die Gewalt am Montag noch die Ausschreitungen von Sonntag überschreiten könnte, die bisher blutigsten seit Beginn der Proteste im vergangenen Monat. Das Internet wurde am Morgen nach Betreiber-Angaben weitgehend abgeschaltet, Büros sowie mehr als 3500 für die Wirtschaft des Landes immens wichtige Textilfabriken blieben geschlossen.

„Da (...) ein Massenmarsch nach Dhaka geplant ist und die Jugendorganisation der Regierungspartei zu Aktionen gegen die Demonstranten aufgerufen hat, bin ich zutiefst besorgt, dass es weitere Todesopfer und größere Zerstörungen geben wird“, erklärte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk. „Die schockierende Gewalt in Bangladesch muss aufhören.“ Zugleich appellierte er „eindringlich an die politische Führung und die Sicherheitskräfte, ihren Verpflichtungen zum Schutz des Lebens sowie der Freiheit friedlicher Versammlungen und Meinungsäußerungen nachzukommen“.

Am Sonntag waren landesweit hunderttausende Regierungsgegner aber auch Anhänger auf die Straße gegangen und hatten sich gegenseitig mit Messern, Stöcken und Knüppeln angegriffen. Zudem schossen Sicherheitskräfte mit Gewehren in die Menge. Laut den AFP vorliegenden Zahlen wurden mindestens 94 Menschen getötet. Dies ist die höchste Zahl an Opfern seit Beginn der Proteste gegen die Regierung im Juli. Unter den Getöteten waren auch 14 Polizisten, deren Revier nach offiziellen Angaben in Enayetpur im Nordosten des Landes gestürmt wurde.

Ursprünglich gingen die Demonstranten gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Jobs im öffentlichen Dienst auf die Straße, die ihren Angaben zufolge Unterstützer von Hasina bevorzugte. Inzwischen haben die Demonstrationen den Rücktritt der seit 2009 amtierenden Regierungschefin und ihres Kabinetts zum Ziel.

Der Protestbewegung haben sich mittlerweile Menschen aus allen Bevölkerungsschichten angeschlossen, unter anderem Filmstars, bekannte Musiker und ehemalige Generäle haben ihre Unterstützung ausgedrückt. Auch 47 Firmen der für die Wirtschaft des Landes wichtigen Textilbranche haben sich mit den Demonstrierenden solidarisiert. Offen ist bislang, ob die Armee die Protestierenden unterstützen wird - oder weiterhin zu Hasina steht.

Die 76-jährige Regierungschefin war im Januar in einer von einem großen Teil der Opposition boykottierten Wahl im Amt bestätigt worden. Ihrer Regierung werden unter anderem der Missbrauch staatlicher Institutionen zum eigenen Machterhalt und die Unterdrückung von Regierungskritikern vorgeworfen - bis hin zur außergerichtlichen Tötung Oppositioneller.

(rowi/AFP/dpa)