Krisen-Treffen in Gaza Gerüchte-Chaos: Wie tot ist Arafat?

Ramallah/Paris (rpo). Angst vor neuer Gewalt im Nahen Osten: Unter Leitung von PLO-Generalsekretär Mahmud Abbas findet in Ramallah eine Krisensitzung mit führenden Palästinenservertretern statt. Der palästinensische Präsident Jassir Arafat wurde von französischen Ärzten unterdessen für Hirntod erklärt. Sein Körper wird künstlich am Leben gehalten.

Das Drama um den todkranken Jassir Arafat hält damit weiter an: Der palästinensische Präsident schwebt nach den Worten einer Sprecherin "zwischen Leben und Tod". Die palästinensische Gesandte in Frankreich, Leila Schahid, wies jedoch israelische und französische Medienberichte über einen Hirntod Arafats zurück. Dennoch begann die Diskussion um eine Grabstätte. Der höchste muslimische Geistliche in Jerusalem erklärte, Arafat wolle in der heiligen Statt beigesetzt werden. Israel lehnt dies strikt ab.

Die palästinensische Gesandte Schahid sagte dem Rundfunksender RTL, Arafat sei ins Koma gefallen, nachdem ihm vor verschiedenen Untersuchungen ein Narkosemittel verabreicht worden sei. "Ich kann Ihnen versichern, dass es keinen Hirntod gibt", erklärte sie am Freitagmorgen. Die Ärzte hätten noch keine Diagnose, woran Arafat leide. "Heute können wir sagen, dass er, gemessen an seiner Verfassung und seinem Alter, an einem kritischen Punkt zwischen Leben und Tod ist."

Israels Justizminister Josef Lapid sagte im israelischen Fernsehsender Kanal Zwei: "Es ist jetzt klar, dass Arafat hirntot ist, klinisch tot, sie (die Ärzte) halten ihn künstlich am Leben. Sie müssen entscheiden, wann sie damit aufhören." Lapid war der erste ranghohe Vertreter der israelischen Regierung, der sich derart explizit zu Arafats Zustand äußerte.

Arafat liegt seit Mittwochabend auf der Intensivstation des Militärkrankenhauses bei Paris, in dem er seit Freitag vergangener Woche behandelt wird. Das PLO-Exekutivkomitee übertrug am Donnerstag Ministerpräsident Ahmed Kureia die Befugnis zur Erledigung dringender Finanzangelegenheiten, die normalerweise in der Hand Arafats liegen.

Die israelischen Streitkräfte sind in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Israel befürchtet im Fall von Arafats Tod Ausschreitungen in den palästinensischen Gebieten. Ministerpräsident Ariel Scharon hat bereits angekündigt, er werde nicht zulassen, dass Arafat in Jerusalem beerdigt wird. Vor dem Krankenhaus in Clamart harrten in der Nacht zum Freitag etwa 50 Menschen mit Kerzen und Arafat-Porträts aus. An einer Außenmauer der Klinik war eine große palästinensische Flagge befestigt.

Krisentreffen rivalisierender Palästinensergruppen

Angesichts eines drohenden Machtvakuums nach dem erwarteten Tod von Palästinenserpräsident Jassir Arafat haben sich Vertreter rivalisierender Palästinensergruppen in Gaza zu Krisengesprächen getroffen. Während Arafat in einer Pariser Klinik in tiefem Koma lag, nahmen Repräsentanten seiner Fatah-Bewegung sowie islamistischer und linksgerichteter Extremistengruppen am Freitag Beratungen über eine einvernehmliche Nachfolgeregelung auf. Israel verschärfte die Abriegelung der besetzten Gebiete. Die Ärzte in Paris hatten bereits am Donnerstag den Hirntod Arafats festgestellt, was Palästinenservertreter weiter dementierten.

Das dreistündige Treffen der 13 palästinensischen Gruppen in Gaza endete mit Appellen zur Überwindung der Zwietracht. "Dies ist ein historischer Augenblick, und wir sollten ihn gemeinsam bewältigen", sagte der Sprecher der radikalislamischen Hamas, Sami Abu Suhri. "Wir müssen interne Konflikte vermeiden." Der Sprecher der rivalisierenden Gruppe Islamischer Dschihad, Chalid el Batsch, bezeichnete die Einheit der Palästinenser als "Priorität". Kajed el Ghul von der linksgerichteten Volksfront zur Befreiung Palästinas betonte die Notwendigkeit einer geeinten Palästinenerführung. Ein Fatah-Sprecher kündigte einen "ernsthaften nationalen Dialog" an.

Treffen der rivalisierenden Palästinensergruppen sind in dieser Form sehr selten. Ein ranghoher palästinensischer Sicherheitsbeamter sagte, die verschiedenen Fraktionen arbeiteten eng zusammen, um eine Eskalation der Lage nach dem Tode Arafats zu verhindern. Nach Angaben des palästinensischen Außenministers Nabil Schaath will Ministerpräsident Ahmed Kureia in Kürze mit den verschiedenen Gruppen zusammenkommen. Das Gespräch könnte bereits am Samstag stattfinden. Kureia und sein Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten, Mahmud Abbas, derzeit Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), gelten als mögliche Arafat-Nachfolger.

(afp)
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