Generalstreik in Katalonien Demonstranten blockieren Sagrada Familia - Puigdemont bleibt trotz Haftbefehl frei

Madrid · Geschlossene Läden, gestrichene Flüge, blockierte Sehenswürdigkeiten - und immer wieder die Estelada, die Flagge der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Ein Generalstreik hat die abtrünnige Region weitgehend lahmgelegt. Ein Ende der Proteste ist nicht abzusehen.

 Demonstranten vor der Sagrada Familia.

Demonstranten vor der Sagrada Familia.

Foto: AP/Bernat Armangue

Die Proteste der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung gegen die Haftstrafen für neun Separatistenführer haben am Freitag auch die Sagrada Familia erreicht, eines der Wahrzeichen Barcelonas. Hunderte Demonstranten blockierten im Rahmen eines in der gesamten Region ausgerufenen Generalstreiks zeitweise die Zugänge zu dem weltberühmten Gotteshaus. Später wurden die Pforten der bis heute unvollendeten Basilika des Architekten Antoni Gaudí (1852-1926) komplett geschlossen, „um die Sicherheit von Besuchern, Arbeitern und Belegschaft zu garantieren“, wie es auf dem Twitter-Account der Sagrada Familia hieß.

Nach Schätzungen spanischer Fernsehsender gingen im Zentrum von Barcelona am Freitag Hunderttausende auf die Straßen. Bei einer Großkundgebung sollten am späten Nachmittag fünf „Märsche für die Freiheit“ zusammentreffen - Teilnehmer hatten sich vor einigen Tagen in Massen aus verschiedenen Teilen der Region in Richtung ihrer Hauptstadt aufgemacht.

Die Aktionen sind eine Reaktion auf die Urteile des Obersten Gerichts in Madrid, das am Montag sieben ehemalige Spitzenpolitiker der abtrünnigen Region und zwei Anführer ziviler Organisationen des Aufruhrs für schuldig befunden hatte. Wegen ihrer Rolle bei dem illegalen Abspaltungsreferendum vom Oktober 2017 wurden sie zu Gefängnisstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Seither gibt es in Katalonien massive Proteste von Befürwortern einer Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens.

Wegen des Generalstreiks wurden unter anderem mehrere Dutzend Flüge vor allem der Gesellschaften Iberia und Vueling gestrichen. Auch der Zugverkehr war teilweise beeinträchtigt, Dutzende Straßen wurden von Demonstranten blockiert. Hafenarbeiter und Angestellte der VW-Tochter Seat legten die Arbeit ebenso nieder wie die Belegschaft der katalanischen Supermarktkette Bonpreu. Auch zahlreiche Hörsäle an den Unis und viele Klassenzimmer blieben leer.

In Teilen des Zentrums von Barcelona wirkten Straßen teilweise wie ausgestorben. Geschäfte waren geschlossen, kaum ein Auto war unterwegs. „So habe ich das an einem Wochentag hier noch nie gesehen“, sagte ein Hausmeister im zentralen Viertel Eixample. Auf dem berühmten Boulevard La Rambla und auf den Plätzen im Herzen der Stadt waren hingegen zahlreiche Abspaltungsbefürworter mit Estelada-Flaggen unterwegs - die Estelada ist ein Symbol der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.

In den vergangenen Tagen und vor allem Nächten war es in verschiedenen Teilen Kataloniens zu teils heftigen Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Auch am Freitag kam es abseits der Hauptdemonstration zu vereinzelten Zusammenstößen.

Der von Spanien zur Festnahme ausgeschriebene katalanische Politiker Carles Puigdemont bleibt in Belgien vorerst auf freiem Fuß. Der frühere katalanische Regionalpräsident meldete sich selbst bei der Polizei in Brüssel, nachdem Spanien europäischen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatte. Puigdemont habe dies aus freien Stücken getan, erklärte sein Büro am Freitag. Er widerspreche den Vorwürfen der spanischen Justiz. Der Politiker wurde daraufhin verhaftet, wie die Staatsanwaltschaft in Brüssel mitteilte. Ein belgischer Untersuchungsrichter verfügte am Freitagnachmittag aber die Freilassung unter Auflagen. Puigdemont muss am 29. Oktober wieder vor dem Richter erscheinen.

Der frühere Separatistenführer war 2017 nach Belgien geflohen. Die spanische Justiz wirft ihm Aufruhr und Zweckentfremdung öffentlichen Geldes vor. Einem früheren Auslieferungsbegehren waren die belgischen Behörden nicht gefolgt. Puigdemont war 2018 in Deutschland festgenommen worden, aber nach einigen Tagen Haft wieder freigekommen. Später hob das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht den Auslieferungshaftbefehl auf. Am Montag hatte die spanische Justiz den internationalen Haftbefehl reaktiviert.

(zim/AFP)
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