Humanitäre Waffenruhe Gazastreifen: Die Palästinenser bergen ihre Toten

Gaza/Tel Aviv · Die zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas vereinbarte zwölfstündige Waffenruhe im Gazastreifen hält zunächst. Rettungsdienste und Reporter betreten erstmals die massiv angegriffenen Teile Gazas. Ihnen bietet sich ein Bild der Verwüstung. Die Weltdiplomatie bemüht sich, das Blutvergießen zu stoppen.

Eine palästinensische Frau bricht zusammen, als sie ihr völlig zerstörtes Haus sieht.

Eine palästinensische Frau bricht zusammen, als sie ihr völlig zerstörtes Haus sieht.

Foto: afp, MA/jh

Nach tagelangen Luftangriffen und Bodenoperationen des israelischen Militärs nutzen viele Palästinenser in dem dicht besiedelten Gebiet am Samstag die Möglichkeit, sich mit Nahrung und Medikamenten einzudecken. Auf den Straßen waren Menschen zu sehen, in den Lebensmittelmärkten herrschte Andrang, wie ein Korrespondent aus der Stadt Gaza berichtete. Nach der am Vortag erzielten Vereinbarung sollen die Waffen zwischen sieben und 19 Uhr schweigen. Derweil gingen bei einem Außenministertreffen in Paris die diplomatischen Bemühungen weiter, den Krieg zu beenden.

Im Gaza-Stadtteil Sadschaija und im südlichen Ort Chan Junis bargen Helfer nach Angaben des Leiters der Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, mindestens 85 Leichen. Palästinensische Rettungskräfte konnten erstmals in diese Gebiete vordringen, die Israel seit Beginn seiner Bodenoffensive am 17. Juli massiv angegriffen hatte. Auch nach verletzten Überlebenden werde gesucht, hieß es. Reportern und Kamerateams, die sich dort gleichfalls einfanden, bot sich ein Bild großflächiger Zerstörungen.

Seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 8. Juli wurden nach palästinensischen Angaben 985 Palästinenser getötet und rund 6000 weitere verletzt. Mehr als zwei Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten. Auf israelischer Seite kamen bis Freitag 37 Soldaten und drei Zivilisten um.

Westliche Spitzenpolitiker beraten Lage

US-Außenminister John Kerry kam am Samstag in Paris mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius aus Frankreich und Vertretern aus Großbritannien, Italien, Katar, der Türkei und der EU zusammen. Die Politiker berieten darüber, wie man rasch zu einer dauerhaften Waffenruhe im Gazastreifen kommen kann.
Dabei gehe es nicht darum, über Schuld und Verantwortung zu reden, sondern um Lösungen, die Bestand haben, sagte Steinmeier am Rande des kurzfristig anberaumten Krisentreffens.

Die Dringlichkeit einer Einstellung der Kämpfe unterstrich ein weiterer tragischer Vorfall: Israelische Artilleriegranaten trafen in der Nacht zum Samstag, kurz vor Inkrafttreten der Feuerpause, ein Wohnhaus in Chan Junis. Mindestens 18 Menschen — unter ihnen zehn Kinder — wurden dabei getötet und viele weitere verletzt, wie Aschraf al-Kidra, der Leiter der palästinensischen Rettungsdienste in Gaza, mitteilte. Die Opfer gehörten alle der selben Familie an.

Kerrys Bemühungen um eine Waffenruhe waren am Freitag in ein entscheidendes Stadium getreten. Die israelische Regierung lehnte seinen Vorschlag, sieben Tage lang die Kämpfe ruhen zu lassen und über die Forderungen der Hamas zu verhandeln, in dieser Form ab. Das Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Hamas einigten sich schließlich auf Drängen von Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zumindest auf die zwölfstündige Feuerpause am Samstag.

Neue Demonstrationen geplant

In mehreren deutschen Städten waren am Samstag wieder Demonstrationen gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen geplant. Kundgebungen wurden unter anderem in München, Hamburg und Frankfurt angemeldet.

Lufthansa, Air Berlin und die französische Air France bieten inzwischen wieder Flüge nach Tel Aviv an. Viele Fluggesellschaften hatten den Ben-Gurion-Airport wegen Raketengefahr im israelisch-palästinensischen Konflikt mehrere Tage lang nicht angeflogen.

(dpa)
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