Bundespräsident zu Besuch in Frankreich Gauck: Giftgaseinsatz erfordert "angemessene Reaktion"

Paris · Die Lage in Europa und der Giftgaseinsatz in Syrien: Bundespräsident Gauck und Frankreichs Präsident Hollande lassen heikle Themen nicht aus. Am Mittwoch steht ein dunkles Kapitel der Vergangenheit im Mittelpunkt.

Bundespräsident Joachim Gauck hat bei seinem Staatsbesuch in Frankreich das Nachbarland zu weiteren Reformen ermutigt und das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft gelobt. Auf einer Pressekonferenz mit Frankreichs Präsident François Hollande verurteilten beide Staatschefs auch den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien. Gauck sagte am Dienstag, solche Tabu- und Rechtsbrüche erforderten "eine angemessene Reaktion".

Nach Ansicht Gaucks liegen Frankreich und Deutschland in den Grundwerten direkt beieinander, die Möglichkeiten für Reaktionen in der Syrienkrise seien aber aus rechtlichen und historischen Gründen unterschiedlich.

"Es ist nicht meine Aufgabe, über konkrete Schritte mit Präsident Hollande zu diskutieren", sagte Gauck mit Blick auf Sanktionen gegen das Regime von Baschar al-Assad, "ich wünsche mir aber, dass es gelingt, endlich eine gemeinsam Sprache gegenüber diesem Diktator zu finden."

Zur Lage in Europa sagte Gauck, der Mut zu Reformen sei in Deutschland belohnt worden. Auch die Arbeitnehmer hätten dabei nicht den Kürzeren gezogen. "Mentalitätswandel ist kompliziert und langsam", betonte er, aber die Anstrengungen würden sich lohnen.

Auch Deutschland habe neue Debatten über notwendige Reformen vor sich, denn der Reformprozess sei nicht abgeschlossen. Alte Feindbilder und Stereotypen in Europa seien nicht angebracht.

Gauck begann am Dienstag einen dreitägigen Staatsbesuch in Frankreich - den ersten eines deutschen Staatsoberhaupts im Nachbarland seit 17 Jahren. Vor dem Invalidendom in Paris wurde der Gast aus Deutschland mit militärischen Ehren begrüßt. Im Elysee-Palast traf er am Nachmittag zu einem ersten Gespräch mit Präsident François Hollande zusammen. Gauck wird von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet.

Höhepunkt der Reise ist am Mittwoch ein gemeinsamer Besuch der beiden Staatschefs im mittelfranzösischen Oradour-sur-Glane, wo deutsche Soldaten der Waffen-SS 1944 mehr als 600 Franzosen umbrachten.

Gauck besucht als erster hoher deutscher Repräsentant die Gedenkstätte, wo er mit Überlebenden und Angehörigen der Opfer zusammentreffen wird. "Ich freue mich, dass dieser Besuch möglich ist", sagte Gauck.

An die Hinterbliebenen des SS-Massakers gerichtet betonte der Bundespräsident: "Dieses Deutschland ist ein anderes als das in ihrer Erinnerung." Auf französischer Seite wird der Besuch in einer Linie gesehen mit der Versöhnungsgeste von Verdun, zu der sich 1984 der damalige Präsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl trafen.

Zum Abschluss fliegt Gauck am Donnerstag nach Marseille, die europäische Kulturhauptstadt 2013. Deutschland und Frankreich feiern den 50. Jahrestag des Élysée-Vertrages, mit dem 1963 die Freundschaft beider Länder besiegelt wurde.

Gaucks Staatsbesuch ist der erste eines Bundespräsidenten in Frankreich seit 1996. Damals war Roman Herzog zu Gast im Nachbarland. Gauck selbst war im Mai 2012 zu einem kurzen Antrittsbesuch in Paris.

(dpa)
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