Gastbeitrag von Rafael Seligmann Europa bedroht den Weltfrieden

Düsseldorf · Die deutsche und europäische „Verständigungspolitik“ sieht nur auf den ersten Blick gut aus. In Wahrheit spielt sie den Aggressoren unserer Zeit in die Karten. Das zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit.

 US-Außenminister Mike Pompeo und Außenminister Heiko Maas.

US-Außenminister Mike Pompeo und Außenminister Heiko Maas.

Foto: dpa/Ting Shen

Deutschland und Europa frönen einer Beschwichtigungspolitik. Eingestehen mag dies kein aktiver Politiker. Denn damit würde sie oder er zugeben, die aggressiv vorgehende Gegenseite nicht durch effektive Maßnahmen zu kontrollieren, sondern mit Appellen beschwichtigen zu wollen. Daher geben Appeasement-Politiker ihrem Agieren wohlklingende Namen, zumeist bezeichnen sie ihr Tun als „Verständigungspolitik“, und um ihre Strategie noch einleuchtender erscheinen zu lassen, werden Beiworte wie „Vernunft-“ oder „Friedenspolitik“ angefügt. Das hat den Zweck, die Gegner ihrer Politik als „unvernünftig“ und „kriegsgefährdend“ erscheinen zu lassen.

Ein historisches Beispiel belegt dies. Bereits ein Jahr nach Hitlers Machtübernahme in Deutschland zeigte der Putschversuch österreichischer Nazis 1934, dass Hitler nicht nur in seinem programmatischen Buch „Mein Kampf“ aggressive außenpolitische Ziele verfolgte. Im Jahr darauf besetzte die Wehrmacht das Rheinland. Dies widersprach dem unseligen, doch gültigen Versailler Vertrag. 1936 intervenierte die Legion Condor neben italienischen Truppen im Spanischen Bürgerkrieg zugunsten der Aufständischen unter General Franco. Zwei Jahre darauf marschierte die Wehrmacht in Österreich ein, Berlin annektierte das Land. Monate später forderte Hitler den Anschluss des überwiegend von Deutschsprachigen bewohnten Sudetenlands an sein Reich, dies bedeutete faktisch das Ende der Tschechoslowakei. Großbritannien und Frankreich waren Garantiemächte Prags. Statt für den Bestand einzutreten, appellierten London und Paris an Hitlers Vernunft. Der italienische Diktator Benito Mussolini überredete seinen Verbündeten Hitler zu einem Friedenstreffen. So kam es im September 1938 zur „Münchner Konferenz“. Dabei stimmten England und Frankreich der Abtretung des Sudetenlands an Deutschland zu und opferten so die Integrität der Tschechoslowakei. Der britische Premier Neville Chamberlain gab öffentlich vor, er habe durch seine Gespräche mit Hitler „den Frieden für unsere Zeit“ gerettet.

Der Brite wusste es besser. In einer Kabinettsitzung sprach er Klartext: „Dieser hässliche kleine Hund (Hitler) wird mich nicht noch einmal demütigen.“ Chamberlains Konservative sowie die oppositionelle Labour-Party erkannten die effektive Friedenspolitik des Regierungschefs ebenso an wie die Presse. Allein Winston Chrurchill gab den Spaßverderber. „Ich will die Friedenshoffnung des britischen Volkes nicht enttäuschen, aber das Abkommen wird keinen Frieden schaffen, sondern im Gegenteil Mister Hitler zu neuen Aggressionen verleiten. In einem Jahr wird Hitler die übrige Tschechei schlucken und sich dann auf das nächste Opfer stürzen.“ Auf den abgehalfterten Churchill hörte man nicht. Doch es kam genau so, wie Churchill vorhergesagt hatte.

Heute, gut achtzig Jahre später, streben wir wiederum das edle Ziel des Weltfriedens an. Putins Russland hat die Ukraine besetzt. Es folgten halbherzige Sanktionen des Westens. Der syrische Diktator Assad hat den „roten Linien“ des ehemaligen US-Präsidenten Obama zum Trotz völkerrechtswidrige Chemiewaffen eingesetzt. Washington unternahm nichts, das Töten geht ungehindert weiter. Das iranische Regime droht Israel seit Jahren mit der Vernichtung. Teheran begann mit dem Bau von Kernwaffen und Trägerraketen. 2015 schlossen die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats plus Deutschland ein Abkommen mit dem Iran, das dem Land die Anreicherung von Uran und den Bau von Nuklearwaffen untersagt. Als Belohnung wurden Milliarden-Dollar-Guthaben des Iran, die im Westen eingefroren waren, freigegeben.

Das Abkommen wurde als Friedenstat gefeiert. Der damalige Oppositionspolitiker Trump nannte es dagegen „den schlechtesten Deal aller Zeiten“. Er irrte sich nicht. Teheran nutzte das frei gewordene Geld nicht, um die eigene Wirtschaft aufzubauen, sondern für Aufrüstung sowie militärische Auslandseinsätze. Das Raketenprogramm wurde ausgebaut. Der Iran droht Israel weiterhin mit Vernichtung und liefert Raketen an die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza. Aus diesen Gründen hat Präsident Trump das Nuklearabkommen mit dem Iran gekündigt und blockiert den Handel. Obgleich sie provoziert und ihre Verbündeten von Teheran attackiert werden, greifen die USA den Iran nicht an. Im Gegenteil: Washington bietet Teheran an, das Nuklearabkommen so nachzuverhandeln, dass der Iran dauerhaft keine Atomwaffen bauen und andere Staaten bedrohen wird. Dafür soll der Iran mit wirtschaftlicher Unterstützung belohnt werden. Teheran lehnt dies bislang kategorisch ab. Die iranische Bevölkerung leidet Mangel, es fehlen Medikamente, Handel und Industrie liegen am Boden, doch die Mullahs bleiben hart. Ihre aggressive Politik ist ihnen wichtiger als die Wohlfahrt des eigenen Volkes.

Statt sich auf die Seite der USA zu stellen und so den Druck auf Teheran zu erhöhen, halten Deutschland, Frankreich und Großbritannien am Abkommen fest – gemeinsam mit Russland und China. Dies geschieht im Namen des Friedens. Die Europäer appellieren wieder einmal an eine aggressive Diktatur, den Frieden zu halten, obgleich diese offen Vernichtungsdrohungen gegen ihre Nachbarn ausstößt. 2008 hat Angela Merkel vor der Knesset Israels Sicherheit zum deutschen Staatsinteresse erklärt. Dem sollte eine konsequente Politik folgen, die Teheran zu einer friedlichen Politik drängt.

Zugleich tut Deutschland zu wenig, um seine eigene Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen. Die Zusage, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden, wird auf absehbare Zeit nicht erfüllt werden. Der Kreml nimmt es wohlwollend zur Kenntnis. Bei Gelegenheit wird er den baltischen Staaten drohen, womöglich diese besetzen, oder wie es dann heißen mag: heim zu Mütterchen Russland holen. Die Nato und Deutschland werden ohnmächtig zusehen müssen.

„Wenn du den Frieden bewahren willst, sei für den Krieg gerüstet“, wusste Platon vor knapp zweieinhalbtausend Jahren. Das klingt martialisch. Doch dies ist die einzig wirksame Friedenspolitik, wie die Geschichte lehrt. Beschwichtigungsmaßnahmen reizen Diktatoren lediglich zur Aggression, damit gefährden sie den Frieden. Obgleich sie im Auge des Beobachters eine gute Figur machen mögen, bleiben sie wirkungslos.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort