„Vollständige“ Erfüllung der Gazprom-Verpflichtungen? Nord Stream 1 liefert wieder Gas – Putin droht dennoch mit Drosselung

Update | Teheran · Nach der Wartung von Nord Stream 1 ist am Donnerstagmorgen die Gaslieferung durch die deutsch-russische Pipeline wieder angelaufen. Putin beteuert, Gazprom werde seine Verpflichtungen erfüllen – und bringt Nord Stream 2 ins Spiel.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz nach einem Gipfeltreffen mit der Türkei und dem Iran in Teheran.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz nach einem Gipfeltreffen mit der Türkei und dem Iran in Teheran.

Foto: AFP/GRIGORY SYSOYEV

Nach der zehntägigen Wartung von Nord Stream 1 ist am Donnerstagmorgen der Hochlauf der Gaslieferung durch die deutsch-russische Gaspipeline gestartet. Es fließe wieder Gas, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG der Deutschen Presse-Agentur. Dabei handele es sich aber noch nicht um die volle Lieferleistung. Bis diese erreicht sei, werde es einige Zeit dauern.

Vorher hat der russische Präsident Wladimir Putin mit einer Reduzierung russischer Erdgaslieferungen an EU-Länder gedroht. Nach einem Gipfeltreffen mit der Türkei und dem Iran am Dienstag in Teheran sagte Putin zwar, der russische Gaskonzern Gazprom werde seine Verpflichtungen „in vollem Umfang“ erfüllen. „Gazprom hat seine Verpflichtungen erfüllt, erfüllt sie jetzt und wird sie auch in Zukunft erfüllen“, sagte Putin.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts und der westlichen Sanktionen hatte Gazprom die Lieferungen nach Europa zuletzt bedeutend reduziert.

In Teheran äußerte sich Putin allerdings nicht nur zu den Verpflichtungen von Gazprom. Sollte Russland die in Kanada reparierte Nord Stream 1-Turbine nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli die tägliche Durchlasskapazität der Pipeline deutlich zu fallen, sagte der Kremlchef der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge in der Nacht zum Mittwoch am Rande des Treffens in Teheran. Die Begründung einer Drosselung mit der fehlenden Turbine hatten Kritiker schon zuvor als Vorwand bezeichnet.

Die Verantwortung für geringere Liefermengen wies Putin erneut von sich. „Es gibt dort zwei funktionierende Maschinen, sie pumpen 60 Millionen Kubikmeter pro Tag ... Wenn eine nicht zurückkommt, gibt es eine, die 30 Millionen Kubikmeter pumpt. Was hat Gazprom damit zu tun?“ Mit einer solchen Drosselung würde die tägliche Lieferkapazität auf rund ein Fünftel fallen.

Die in Kanada reparierte Turbine wurde wegen der westlichen Sanktionen infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht wieder an Russland übergeben. Zuletzt hatte die kanadische Regierung auf Bitten Berlins entschieden, die Turbine von Siemens Energy an Deutschland zu übergeben, womit sie wieder eingebaut werden kann. Damit solle Russland ein Vorwand für den endgültigen Stopp der Gaslieferungen oder deren anhaltende Drosselung genommen werden, hieß es. Moskau betont aber, bis jetzt weder die Maschine, noch die dazu gehörigen Dokumente bekommen zu haben. Der Kremlchef ergänzte, dass Gazprom Ende Juli eine weitere Turbine für Reparaturen stilllegen wolle.

In Teheran verwies Putin auf die umstrittene Pipeline Nord Stream 2. „Wir haben noch eine fertige Trasse - das ist Nord Stream 2. Die können wir in Betrieb nehmen.“ Allerdings würde über die Ostseepipeline nur die Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Volumens geliefert, weil Russland den Rest für den heimischen Bedarf benötige, ergänzte Putin.

Gas: Nord-Stream-Pipelines - Chronologie und Baugeschichte
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Nord Stream-Pipelines - Chronologie und Baugeschichte

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Foto: dpa/Jens Büttner

Die Pipeline ist seit 2021 fertig gebaut, es fehlen aber noch die Zertifizierungsunterlagen. Das Genehmigungsverfahren für die Leitung wurde von Deutschland nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ausgesetzt. Putins Äußerungen in Teheran lassen darauf schließen, dass auch nach Ende der Wartungsarbeiten und selbst bei Einbau der Turbine die Pipeline möglicherweise nicht wieder auf volle Leistung hochgefahren würde. Denkbar wäre, dass Moskau so die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 erzwingen will.

Putin warnte den Westen auch, im Rahmen der Sanktionen gegen sein Land russisches Öl ins Visier zu nehmen. Pläne für einen Preisdeckel für russisches Öl würden den globalen Ölmarkt destabilisieren und die Preise hochschnellen lassen. „Wir hören einige verrückte Ideen über eine Begrenzung des Volumens des russischen Öls und eine Deckelung des russischen Ölpreises“, sagte Putin vor russischen Reportern. „Das Ergebnis wird das Gleiche sein - ein Anstieg der Preise.“

Zudem forderte Putin in der Debatte um die Blockade ukrainischer Getreide-Exporte eine Rücknahme westlicher Sanktionen auf Ausfuhren von russischem Getreide: „Wir werden die Ausfuhr ukrainischen Getreides erleichtern, aber wir gehen davon aus, dass alle Beschränkungen im Zusammenhang mit Luftfrachtlieferungen für die Ausfuhr von russischem Getreide aufgehoben werden“, sagte er.

Westliche Staaten werfen Russland vor, die Ausfuhr von ukrainischem und russischem Getreide bewusst einzuschränken. Moskau hingegen macht die westliche Sanktionspolitik für ausbleibende Exporte und weltweit steigende Lebensmittelpreise verantwortlich. Die EU und andere Länder haben allerdings immer wieder betont, dass Lebensmittellieferungen aus Russland nicht unter ihre Sanktionen fallen.

(peng/AFP/dpa/Reuters)
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