Angeblich Hunderte Tote bei Luftangriffen Gaddafi klagt die Nato an

Tripolis (RPO). Das Lager des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi hat schwere Vorwürfe gegen die Nato erhoben. Bei nächtlichen Luftangriffen auf Gaddafis Geburtsstadt Sirte seien Wohnhäuser getroffen und 354 Menschen getötet worden, sagte ein Gaddafi-Sprecher. Durch die Angriffe des Militärbündnisses sollen in den vergangenen zwei Wochen mehr als 2000 Menschen ums Leben gekommen sein.

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Mussa Ibrahim kontaktierte die Nachrichtenagentur Reuters per Telefon und erklärte weiter, Gaddafi halte sich in Libyen auf und führe im Kampf gegen die Übergangsregierung das Kommando.

Die Gaddafi-Getreuen verteidigten vehement ihre verbliebenen Bastionen. Mit Raketenbeschuss zwangen sie die Truppen der Gaddafi-Gegner zum Rückzug aus der Wüstenstadt Bani Walid. Auch in Sirte stießen Anti-Gaddafi-Kräfte auf Widerstand.

Gaddafis Anhänger seien ausreichend bewaffnet und in der Lage, den Kampf monatelang fortzusetzen, sagte Gaddafis Sprecher weiter. Er hielt sich nach eigenen Angaben in der Umgebung von Sirte auf. Durch das Nato-Bombardement der Stadt seien binnen 17 Tagen insgesamt mehr als 2000 Menschen ums Leben gekommen. Allein bei den Angriffen am Freitag seien zudem über 700 Menschen verletzt worden, 89 weitere würden vermisst.

Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden, da die Küstenstadt weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten ist.

Nato: Vorwürfe waren oft falsch

Die Nato erklärte in Brüssel, sie kenne die Anschuldigungen. "Es ist nicht das erste Mal, dass solche Vorwürfe erhoben werden", sagte Nato-Sprecher Roland Lavoie. "Meistens haben sie sich als unbegründet oder nicht schlüssig erwiesen."

Der 69-jährige Gaddafi ist untergetaucht, dürfte aber noch Hunderte bewaffneter Anhänger unter seinem Kommando haben. Dadurch ist es dem Nationalen Übergangsrat (NTC) auch fast vier Wochen nach dem Sturm auf Tripolis noch nicht gelungen, das gesamte Land unter seine Kontrolle zu bringen. Die Gaddafi-Anhänger konzentrieren sich auf die Gegenden um Sirte, Bani Walid und Sabha im Süden des Landes.

Der erste Anlauf zur Einnahme Bani Walids scheiterte am Freitag. Nach stundenlangen heftigen Kämpfen traten die NTC-Kräfte den Rückzug an. Am Samstag hielten die Kämpfer Manöverkritik: Einige NTC-Kämpfer machten Verräter in den eigenen Reihen sowie Scharfschützen der Gegenseite für die Niederlage verantwortlich.

Aufgehalten worden seien sie auch durch Öl, das die Gaddafi-Truppen in Bani Walid über den steilen Straßen in Richtung Stadtzentrum ausgegossen hätten. Andere kritisierten, dass es in der Truppe an Koordination und Disziplin gemangelt habe. Auch gebe es nicht genügend Kämpfer.

UN stärken Übergangsrat den Rücken

Mitten in diesen Rückschlägen innerhalb Libyens erhielt die Übergangsregierung Unterstützung der Vereinten Nationen: Der UN-Sicherheitsrat lockerte die gegen das Land verhängten Sanktionen. Das Gremium votierte am Freitag einstimmig dafür, sämtliche Strafmaßnahmen gegen die staatliche Ölgesellschaft aufzuheben. Auch Sanktionen gegen die Notenbank werden gelockert. Der Sicherheitsrat gab zudem grünes Licht für eine UN-Vertretung in Libyen, die das Land bei seinem Wiederaufbau unterstützen soll.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte den Schritt des Sicherheitsrates als wichtiges Zeichen der Unterstützung des neuen Libyens durch die Staatengemeinschaft. Es sei richtig, dass die UN mit der Entsendung einer zivilen Mission eine Schlüsselrolle auf dem Weg zu einem demokratischen und rechtsstaatlichen Libyen übernehme. "Mit der zielgenauen Aufhebung von Wirtschaftssanktionen wird jetzt auch der Startschuss für den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau des Landes gegeben." Deutschland sei Partner des neuen Libyen, betonte der FDP-Politiker. "Wir werden es auf seinem Weg in eine bessere Zukunft nach Kräften unterstützen."

Auch die UN-Vollversammlung stärkte der libyschen Übergangsregierung den Rücken. Deren Vertreter wurden von dem 193 Länder umfassenden UN-Gremium mit 114 Stimmen als Gesandte bestätigt. Damit erkannten die UN faktisch den Nationalen Übergangsrat an.

(RTR/jre)
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