Der Umsturz in Libyen Gaddafi-Jäger stellen Bani Walid Ultimatum

Bir Dufan (RPO). Die neue Führung in Libyen hat die Wüstenstadt Bani Walid aufgefordert, bis Sonntag ihre Unterstützung des bisherigen Machthabers Muammar el Gaddafi aufzugeben. Das Ultimatum laufe am Sonntagvormittag um 10 Uhr aus, sagte ein Vertreter des Militärrates der 80 Kilometer nördlich gelegenen Stadt Tarhuna am Samstag. "Entweder sie hissen die weiße Flagge und ergeben sich oder die Kämpfe beginnen."

 Die Armee der neuen Regierung in Libyen rückt auf die Stadt Bani Walid vor.

Die Armee der neuen Regierung in Libyen rückt auf die Stadt Bani Walid vor.

Foto: AP, AP

Mehrere Vertraute des flüchtigen Gaddafi und ein Sohn sollen sich demnach in Bani Walid aufhalten, das rund 180 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Tripolis liegt.

Bani Walid war bisher als eines der möglichen Verstecke Gaddafis genannt worden. Die Militärvertreter der neuen Führung gehen aber offenbar nicht mehr davon aus, ihn dort anzutreffen. In Bani Walid hätten sich mehrere Vertraute Gaddafis jüngst aufgehalten, sagte Abdul Rassak Naduri, der stellvertretende Leiter des Militärrates von Tarhuna, das auf halben Weg zwischen Tripolis und Bani Walid liegt.

Seif el Islam, der zweitälteste Sohn Gaddafis, sei noch vor zwei Tagen in Bani Walid gewesen, aber inzwischen geflohen. Noch in der Stadt seien aber Gaddafis Sohn Saadi, der Sprecher der Gaddafi-Regierung, Mussa Ibrahim, sowie Mansur Dau, Leiter der sogenannten Revolutionskomitees, die wesentliche Stütze von Gaddafis Machtsystems waren.

Truppen der neuen libyschen Führung erkundeten am Samstag die Umgebung der Wüstenstadt, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. 200 Fahrzeuge mit rund 600 Kämpfern fuhren demnach am Vormittag in Richtung der Stadt. Die Kämpfer stießen laut ihrem Kommandeur bis 20 Kilometer vor Bani Walid vor, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Am Vormittag hatten sie noch damit gerechnet, auf dem Weg in die Wüstenstadt auf eine Elite-Einheit zu treffen. Der Gaddafi-Sohn Seif el Islam hatte am Mittwoch in einer über den arabischen Sender Arrai verbreiteten Botschaft gesagt, die Einwohner von Bani Walid seien bereit, "bis zum Sieg" für Gaddafi zu kämpfen.

Ruhe vor Sirte

Derweil bewegte sich an der weiter östlich liegenden Front vor Gaddafis Heimatstadt Sirte nichts, wie mehrere Vertreter der neuen Führung bestätigten. Sie verwiesen darauf, dass sich die Truppen aus Misrata zunächst auf Bani Walid konzentrieren wollten. Es solle vermieden werden, dass die Kämpfer der neuen Führung zwischen zwei Fronten gerieten. Auch Sirte gilt als mögliches Versteck des nach dem Fall der Hauptstadt Tripolis untergetauchten Gaddafi.

Inzwischen sorgen Berichte für Aufregung, nach denen westliche Geheimdienste eng mit Gaddafis Schergen zusammengearbeitet haben sollen. So habe die CIA Terrorverdächtige zur Befragung nach Libyen geschickt und im Gegenzug Hilfe bei der Gefangennahme eines Oppositionellen zugesagt, hieß es am Samstag in Presseberichten.

Die CIA habe während der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush Terrorverdächtige nach Libyen geschickt und Fragen für die Verhöre nahegelegt, berichtete das "Wall Street Journal". Der US-Geheimdienst habe sich 2004 angesichts der Annäherung Libyens an den Westen außerdem um eine "ständige Vertretung" in dem nordafrikanischen Land bemüht.

Westliche Geheimdienste im Visier

Mindestens acht Mal hätten die US-Geheimdienste Terrorverdächtige zur Befragung in das für seine Folterpraxis bekannte Libyen geschickt, berichtete die "New York Times". Tripolis habe im Gegenzug gefordert, den Oppositionsführer Abu Abdullah el Sadik nach Libyen zu bringen.

Ein CIA-Mitarbeiter habe Hilfe zugesagt und geschrieben, die USA fühlten sich "verpflichtet, diese Beziehungen zum Nutzen beider Geheimdienste auszubauen". Sadik soll ein Pseudonym von Abdel Hakim Belhadsch sein, der mittlerweile ein Anführer der Truppen der neuen libyschen Führung ist.

Die britische Zeitung "The Independent" berichtete, Großbritannien habe Gaddafis Spione mit Informationen über libysche Oppositionelle im Exil versorgt. Die USA hätten wiederum angeboten, Libyen Schaich Musa, ein mutmaßliches Mitglied der Al-Qaida-nahen libyschen Islamischen Kampfgruppe, "in Ihre effektive Verwahrung" zu geben.

Informationen über Exil-Libyer

Bei ihren Berichten stützen sich die Zeitungen auf Dokumente des ehemaligen libyschen Außenministers Mussa Kussa, die Forscher der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nach dem Einmarsch der Aufständischen vergangene Woche in Tripolis gefunden hatten.

Kussa hatte sich im März nach Großbritannien abgesetzt. Obwohl dem ehemaligen Geheimdienstchef Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, konnte er nach Katar weiterfliegen.

In den Dokumenten fanden sich den Berichten zufolge Hinweise auf enge Beziehungen Mussas zu den britischen und US-Behörden. Der hochrangige CIA-Mitarbeiter Stephen Kappes habe ein Schreiben mit "Lieber Mussa" begonnen und mit "Steve" unterzeichnet, schrieb das "WSJ". Laut "Independent" erhielt Kussa mehrfach "Grüße vom (britischen Geheimdienst) MI6".

Der britische Außenminister William Hague sagte am Samstag dem Fernsehsender Sky News, da die Enthüllungen eine Vorgängerregierung beträfen, wisse er nichts darüber. Außerdem kommentiere er grundsätzlich keine Geheimdienstangelegenheiten.

(AFP/felt)
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