Augenzeugen sprechen von Massakern Gaddafi: Al Qaida für Proteste verantwortlich

Bengasi (RPO). Libyens Machthaber Muammar Gaddafi hat sich erneut in einer Fernsehansprache zu Wort gemeldet und die Extremistenorganisation Al Qaida für den Aufstand in seinem Land verantwortlich gemacht. Al Qaida manipuliere die Libyer, sagte er. Augenzeugen berichteten von Massakern bei Demonstrationen.

Augenzeugen sprechen von Massakern: Gaddafi: Al Qaida für Proteste verantwortlich
Foto: Screenshot

Al-Qaida-Chef Osama bin Laden sei der wirkliche Verbrecher, erklärte Gaddafi in der Ansprache. Keine vernünftige Person würde sich an den Protesten beteiligen. Die Menschen kämpften untereinander und stünden unter Drogen, sagte der seit mehr als 40 Jahren herrschende Gaddafi. Zugleich äußerte er sein Beileid für all jene, die in den vergangenen Tagen ums Leben gekommen sind. Er bezeichnete sie als "Kinder Libyens".

Die Situation auf den Straßen Libyens

Ein Massaker, dem etliche Tote und Verletzte zum Opfer fielen, sollen Anhänger von Muammar Gaddafi am Donnerstag nach Augenzeugenberichten bei zwei Zusammenstößen mit Demonstranten angerichtet haben. Kriegsschiffe der Bundeswehr sind unterwegs, um Deutsche aus dem Land zu holen.

In der Stadt Sawija 50 Kilometer westlich von Tripolis beschossen Soldaten eine Moschee, ein Augenzeuge sprach von vielen Toten und Verletzten.

Dem Augenzeugen in Sawija zufolge rückten am Mittwoch unter Befehl des Gaddafi-Gefolgsmanns Abdullah Megrahi Soldaten in Sawija ein. Megrahi habe die in der Moschee und auf dem Märtyrerplatz versammelten Demonstranten aufgefordert: "Entweder ihr geht, oder ihr erlebt ein Massaker".

"Wir sagten ihm, wir gehen nicht, entweder Tod oder Sieg", berichtete der Augenzeuge. Am Donnerstagmorgen um 9 Uhr sei der Angriff erfolgt. Er sei erschüttert, dass libysche Soldaten mit automatischen Waffen auf ihre Landsleute geschossen und Luftabwehrraketen auf das Minarett der Moschee gefeuert hätten.

Auf einem Flugplatz bei Misrata, der drittgrößten libyschen Stadt, schossen Milizionäre einem Anwohner zufolge auf eine Menschenkette, die schützend das Gelände umstellt hatte. Auch hier habe es viele Tote und Verletzte gegeben.

Während vor allem der Osten und weite Teile des übrigen Landes nicht mehr unter Kontrolle Gaddafis stehen, halten dessen Truppen mit äußerster Gewalt die Hauptstadt und deren Umgebung. In den Außenbezirken sind Panzer in Stellung gegangen.

Die Opposition im Osten hat zur "Befreiung" von Tripolis aufgerufen. Am Freitag soll es einen "Marsch auf Tripolis" geben. Der Augenzeuge in Sawija sagte, die Demonstranten dort würden sich nicht daran beteiligen.

Ein enger Vertrauter Gaddafis, Ahmed Gadhaf al-Dam, teilte mit, er sei aus Protest gegen "das blutige Vorgehen gegen den Aufstand" nach Ägypten geflohen. Er verurteile "schwere Verstöße gegen Menschenrechte und internationales humanitäres Recht". Gadhaf al-Dam ist ein Cousin Gaddafis.

Die Lage der Ausländer in Libyen

Unterdessen verließen immer mehr Ausländer Libyen. In Sawija waren die am Mittelmeer gelegenen Raffinerien und der Ölhafen ohne Polizeischutz, sagte der Augenzeuge. Anwohner hätten Bürgerwehren gebildet.

Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums sind drei Kriegsschiffe der Bundeswehr unterwegs nach Libyen, um notfalls bei der schnellen Ausreise deutscher Staatsbürger zu helfen.

Wie ein Sprecher in Berlin sagte, werden die zwei Fregatten und der Einsatzgruppenversorger ihr Ziel erst in den kommenden Tagen erreichen.

Um die noch bis zu 6.000 Europäer aus Libyen herauszuholen, schließt die EU einen militärischen Einsatz nicht länger aus. Das sei "eine der Möglichkeiten", die im Zuge eines Notfallplans erwogen würden, hieß es am Donnerstag beim Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD).

Derzeit sei man aber noch weit von davon entfernt. Unter den Mitgliedsstaaten gebe es aktuell keine Diskussion über einen etwaigen Militäreinsatz, verlautete aus Diplomatenkreisen.

Nach Angaben der EU-Kommission saßen am Donnerstag noch 5.000 bis 6.000 Europäer in Libyen fest, rund 1.000 davon in der Stadt Bengasi. Dort gilt die Lage als besonders schwierig, weil der Flughafen nicht mehr genutzt werden kann. "Das ist eine große Notlage", sagte Kommissionssprecher Raphael Brigandi.

Deswegen setzt die EU nun auch auf Hilfe von Militärschiffen in der Region. Mit Erfolg: So könnten 500 der in Bengasi befindlichen Europäer in Kürze an Bord eines chinesischen Militärschiffes gehen, teilte der Kommissionssprecher mit. Das Schiff wurde noch am Donnerstagmittag in Bengasi erwartet.

(apd/pes-)
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