Flüchtlinge, Klima & die Wirtschaft Darum geht's beim G7-Gipfel in Japan

Berlin/Ise-Shima · Am 26. und 27. Mai findet im japanischen Ise-Shima der G7-Gipfel statt. Für jede Nation stehen dabei andere Themen im Vordergrund - von der Flüchtlingskrise bis zum drohenden "Brexit". Eine Vorschau.

G7-Gipfel 2016 in Ise-Shima: Das sind die Teilnehmer in Japan
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Das sind die Teilnehmer beim G7-Gipfel in Japan

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Ein bisschen Schmeichelei ist sicher dabei, wenn Shinzo Abe die Kanzlerin mit "Hochachtung" als "die stärkste Politikerin" mit "der größten Einflusskraft" beschreibt. Bei seinem Besuch in Deutschland vor drei Wochen vermeidet der japanische Ministerpräsident trotz gehöriger Differenzen jeden Misston. Dennoch wird Angela Merkel seinen dringenden Wunsch für den G7-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag im japanischen Ise-Shima kaum erfüllen. Sie hat auch ganz andere Sorgen als der rechtskonservative Premier.

Abe pocht darauf, dass die sieben Staats- und Regierungschefs großer Industrienationen zur Ankurbelung der Weltwirtschaft - und damit möglichst auch des schwächelnden japanischen Wirtschaftswachstums - "mit einer Stimme eine konkrete Botschaft aussenden". Er meint damit etwa eine expansive Fiskalpolitik, also schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Und das lehnt Merkel ab. Finanzminister Wolfgang Schäuble ließ beim Treffen mit seinen G7-Kollegen schon wissen: "Ich glaube, die deutsche Finanzpolitik ist ziemlich erfolgreich."

Für Merkel wiederum kommt es vor allem darauf an, dass die G7-Chefs in der Flüchtlingskrise zusammenrücken. Und so hat jeder von ihnen eigene Nöte und Ziele. Die Gemengelage in Ise-Shima:

  • Flüchtlinge & Terror: Als Deutschland vor einem Jahr den G7-Gipfel ausrichtete, stand Merkel glänzend da. Beste Umfragewerte, hohe internationale Anerkennung. Inzwischen ist sie in der Wählergunst abgesackt und wegen der Flüchtlingskrise politisch schwer unter Druck. Nun gehört sie zu jenen, die Solidarität brauchen. Am besten ein Signal für gemeinsame Anstrengungen bei der Bekämpfung von Fluchtursachen und Hilfe für Flüchtlinge etwa internationale Entwicklungsbanken. Die Botschaft an die Bürger zuhause wäre: Deutschland steht mit dem Problem nicht alleine da. Ähnliches gilt für Italien. Frankreich wiederum, das 2015 zwei fürchterliche Terroranschläge erlebte, braucht entsprechende Solidaritätsbekundungen für den Anti-Terror-Kampf.
  • Wirtschaft: Von Abes Wunsch nach einer starken konkreten Botschaft für die Wirtschaft wird vermutlich nicht viel mehr als ein Appell in der Abschlusserklärung übrig bleiben. Japanische Diplomaten rechnen mit einer Formulierung wie: Jede Regierung wird nach ihren Möglichkeiten das Wirtschaftswachstum fördern. Mit den USA liegt Japan in der Währungspolitik im Clinch. Tokio sieht in der Aufwertung des Yen ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Ein schwächerer Dollar wiederum stützt die Konjunktur in den USA.
  • Krieg & Frieden: Der Syrien-Krieg und der Russland-Ukraine-Konflikt sind Dauerthemen der G7. Japan erwartet mehr Solidarität bei den Territorialstreitigkeiten mit China um Inseln und Riffe im Ost- und Südchinesischen Meer - einer der gefährlichsten Krisenherde der Welt. Tokio habe sich klar gegen Moskau wegen der Annexion der Krim positioniert - nun müssten die G7-Partner erkennen, dass Japan ebenfalls von gewaltsamer Veränderung seines Territoriums durch China bedroht sei, heißt es von japanischer Seite. Das sei eine Herausforderung für das internationale Rechtssystem.
  • Klima: Eher selten schlagen Gipfel-Abschlussdokumente hohe Wellen. Oft sind die Formulierungen schwammig. Beim Gipfel 2016 in Bayern reichte allerdings die Bekräftigung der G7, das Zwei-Grad-Ziel zur Begrenzung der Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit auch wirklich anzustreben, für Jubel bei Klimaschützern. Denn das war eine Grundvoraussetzung für den Erfolg des UN-Klimagipfels in Paris Ende des Jahres, wo dann 195 Staaten das Zwei-Grad-Ziel akzeptierten. Nun will Merkel die dafür nötige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien voranbringen. Erstmals ist in der Runde Kanadas smarter Premier Trudeau dabei. Im Kanzleramt gilt er als "Grüner", auf den Merkel in ihrem Bestreben nach weiterem international koordiniertem Vorgehen beim Klimaschutz setzen kann. Sie wird die Gelegenheit nutzen, mit dem 44-Jährigen allein zu sprechen.
  • Brexit: Von Obama bis Merkel wird die G7-Runde den Briten die harten Konsequenzen in Finanz- und Wirtschaftsfragen vor Augen führen, sollte seine Bevölkerung bei dem Referendum am 23. Juni gegen einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union stimmen. Es werden aber auch Negativfolgen für die EU und die Weltwirtschaft befürchtet.
  • Barack Obama: Es ist Obamas letzter G7-Gipfel. In diesem Jahr endet seine Amtszeit. Eines seiner Themen ist die Handelspolitik inklusive des höchstumstrittenen Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU. Sein Besuch in Japan könnte den ganzen Gipfel dominieren - allerdings weniger seine Teilnahme an dem Treffen in Ise-Shima, vielmehr sein anschließender Auftritt in Hiroshima - jener japanischen Stadt, die die US-Luftwaffe 1945 mit einer Atombombe zerstörte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird zum ersten Mal von ihrem Mann Joachim Sauer zu einem G7-Gipfel ins Ausland begleitet. Der 67-jährige Chemie-Professor wird am Donnerstag und Freitag im japanischen Ise-Shima am traditionellen Partnerprogramm teilnehmen. Im vergangenen Jahr war er selbst Gastgeber der Partner der G7-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern.

In der japanischen Ferienregion Ise-Shima stehen der Besuch eines Shinto-Schreins und der Perleninsel Mikimoto auf dem Programm. Sauer begleitet Merkel nur selten auf Reisen. Seine einzige Gipfelteilnahme im Ausland war 2009 das Nato-Treffen im französischen Straßburg. Allerdings war das ein halbes Heimspiel, weil der Gipfel auch auf der anderen, deutschen Rheinseite in Kehl stattfand.

Seine G7-Premiere hatte Sauer 2007 als Gastgeber des Partnerprogramms in Heiligendamm. An einem G20-Gipfel nahm er bisher noch gar nicht teil. Das wird sich aber wahrscheinlich im nächsten Jahr ändern. Dann lädt Merkel die Staats- und Regierungschefs der "Gruppe der 20", der auch China, Russland und Brasilien angehören, nach Hamburg ein.

(hebu/dpa)
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