Friedensnobelpreis für Journalisten Ein Zeichen gegen Diktatoren

Meinung | Oslo · Unter Lebensgefahr setzen sich die beiden Preisträger Maria Ressa und Dmitri Muratow für das hohe Gut der Pressefreiheit ein. Aber auch für gefährdete Journalisten hierzulande ist die Auszeichnung ein Signal.

 Dmitri Muratow, Chefredakteuer der Moskauer Zeitung «Nowaja Gaseta», und Maria Ressa, Journalistin und Chefin der Online-Nachrichtenagentur Rappler. Der Friedensnobelpreis 2021 geht in diesem Jahr an die beiden Journalisten.

Dmitri Muratow, Chefredakteuer der Moskauer Zeitung «Nowaja Gaseta», und Maria Ressa, Journalistin und Chefin der Online-Nachrichtenagentur Rappler. Der Friedensnobelpreis 2021 geht in diesem Jahr an die beiden Journalisten.

Foto: dpa/Aaron F

Es ist ein wirklich gutes Zeichen des norwegischen Nobel-Komitees, die beiden Journalisten Maria Ressa (Philippinen) und Dmitri Muratow (Russland) den Friedenspreis zu verleihen. Unter Einsatz ihres Lebens bestreiten sie einen fast aussichtslosen Kampf um das hohe Gut der Meinungs- und Pressefreiheit – eine der konstitutiven Freiheiten jedes humanen Rechtsstaats. Dabei ist es immer ein bisschen schwierig, wenn die eigene Profession geehrt wird. Das geht Politikern, Wissenschaftlerinnen oder Ärzten so. Bei Journalisten ist das nicht anders, wenn über Kolleginnen und Kollegen geschrieben wird. Man ist nicht ganz unbefangen.

Die philippinische Journalistin Ressa hat die Tötungsmaschinerie des philippinischen Autokraten Rodrigo Duterte und dessen ungesetzliche Aufrufe zu Selbstjustiz gegen tatsächliche und vermeintliche Drogendealer minutiös und faktenbasiert angeprangert. Sie wurde deshalb sogar verhaftet und kam nur gegen Zahlung einer Kaution wieder frei. Noch immer laufen gegen sie mehrere Verfahren, mit denen die Duterte ergebene Justiz die mutige Journalisten und Geschäftsführerin des Internet-Nachrichtenportals Rappler einschüchtern will. Der Preis an sie ist auch ein Zeichen gegen Fake-News und systematische Desinformation, denen sie die klassischen journalistischen Tugenden der Recherche und der Faktentreue entgegensetzt.

Ein ähnliches Ethos vertritt auch Muratow. Er leitet die einzig noch russlandweit erscheinende Tageszeitung „Nowaja Gaseta“, die regelmäßig große Wirtschaftsskandale aufdeckte und politische Morde in der Ukraine oder der Unruheprovinz Tschetschenien ans Tageslicht brachte. Ein Anschlag mit giftigen und übelriechenden chemischen Substanzen war die Antwort des Regimes. Darin hat Russlands Geheimdienst Übung, wie der Fall Alexej Nawalny zeigt, Muratows Bruder im Geiste. Auch die 2006 ermordete Bürgerrechtlerin und Publizistin Anna Politkowskaja arbeitete für „Nowaja Gaseta“. Fünf weitere Mitarbeiter der Zeitung verloren ebenfalls ihr Leben im Dienst der Aufklärung.

Das sind die Nobelpreisträger 2021
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Die Beispiele für mutigen Journalismus in autoritären Staaten sind leider selten geworden. Wer möchte diesen scheinbar aussichtslosen Kampf unternehmen, der vor allem Schikane, Verfolgung, Beschlagnahmung und im Extremfall Verhaftung, Folter und Tod bringt. Es gehören dazu einzigartige Persönlichkeiten, die an den Fortschritt der Menschheit glauben – trotz der immer raffinierteren Methoden der Autokraten und Diktatoren. Der demokratischen und freiheitlichen Weltgemeinde bleibt nur, diese Menschen auszuzeichnen und ihren Kampf vor allem dadurch zu unterstützen, sie im Bewusstsein zu halten. Das gelingt gerade mit Auszeichnungen wie dem Friedensnobelpreis, der leider auch schon an unwürdige Personen ging, die sie zumindest im Nachhinein nicht verdient hätten. Man denke nur an den Nordvietnamesen Le Duc Tho, an die frühere birmanische Außenministerin Aung San Suu Kyi und ihr Verhalten bei der Verfolgung der muslimischen Rohingyas oder den äthiopischen Präsidenten Abiy Ahmed, der jetzt Krieg gegen Teile seines eigenen Volkes führt.

Doch nicht nur in Ländern, die Menschenrechte mit Füßen treten, ist die Presse- und Meinungsfreiheit gefährdet. Durch die Hasstiraden auf Internet-Plattformen sind auch Journalistinnen und Journalisten hierzulande teils brutalen Angriffen ausgesetzt. Und die richten sich bisweilen auch gegen die persönliche Unversehrtheit der Kollegen. Wer in rechtsextremen oder islamistischen Kreisen recherchiert, riskiert auch in Deutschland Nachstellungen, Überfälle oder Attacken sogar gegen Familienangehörige. Bei Demonstrationen von Querdenkern oder Pegida-Anhängern wurden in der jüngeren Vergangenheit oft Journalisten angegriffen – wie etwa zuletzt in Berlin oder Chemnitz.

Auch der Vormarsch der internationalen organisierten Kriminalität gefährdet die Vertreter einer unabhängigen Presse, wenn sie Hintergründe beleuchten oder Verbindungen zu offiziellen Stellen aufdecken wollen. Noch ist es nicht allzu lange her, dass selbst Unternehmen, die teilweise im Besitz des Bundes sind, Journalisten überwacht haben. Dinge, die eigentlich in Deutschland lange Zeit nicht für möglich gehalten wurden.

Das zeigt: Auch hierzulande ist die Freiheit der Meinung nicht selbstverständlich. Auch hier erfordert es bisweilen Mut, die Dinge beim Namen zu nennen – und die Unterstützung durch Justiz und Polizei ist nicht immer gegeben. Auch wenn wir in einem Rechtsstaat leben und über umfangreiche Freiheiten verfügen (die uns laut Verfassung auch zustehen), muss die Meinungsfreiheit und damit auch die Demokratie ständig erkämpft werden. Sie als selbstverständlich und immerwährend vorauszusetzen, kann böse enden.

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