Serie: Frankreich vor der Wahl (4) Frankreichs Größe - nur noch Fassade

Paris (RP). Jaques Jacques Chirac verabschiedete sich mit gewohntem Pathos. "Ich liebe Sie", versicherte der französische Staatspräsident seinen Landsleuten, als er seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit ankündigte. Und dann schwelgte er über die "Größe Frankreichs".

Ségolène Royal - Frankreichs schöne Sozialistin
9 Bilder

Ségolène Royal - Frankreichs schöne Sozialistin

9 Bilder

Seit Staatsgründer Charles de Gaulle, der bei jeder Gelegenheit von der "grandeur" Frankreichs sprach, sind die Franzosen diese Bombast-Rethorik gewohnt. Doch der von den Politikern rituell beschworene Rang des Landes auf internationaler Bühne ist häufig nur noch schöne Fassade. Frankreichs Einfluss in der Welt schwindet.

Gewiss ist es fünftgrößte Wirtschaftsmacht, hat einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat, leistet sich das nach den USA zweitgrößte Netzwerk diplomatischer und kultureller Vertretungen rund um den Globus. Im vergangenen Jahr beteiligte sich Frankreich mit Truppen und 270 Millionen Euro an 13 von 18 Uno-Blauhelm-Missionen. Insgesamt 30000 französische Soldaten sind ständig auf Auslandseinsätzen. Mit Millionenbeträgen und sanftem politischem Druck hält Paris eine Dachorganisation von 68 (mehr oder minder) frankophonen Ländern am Leben, und seit Dezember verbreitet mit "France 24" nun auch ein internationaler Nachrichtensender nach dem Vorbild des US-Kanals CNN die französische Sicht in der Welt.

Doch dies alles kann nicht verschleiern, dass Frankreich auf der internationalen Bühne keine erstklassige Rolle mehr spielt. "Unser Verlust an Einfluss ist beispiellos", ätzt Nicolas Baverez, Essayist und scharfer Chirac-Kritiker. Nirgendwo wird dies so deutlich wie in Afrika, wo Frankreich als Ex-Kolonialmacht lange Zeit fast nach Gutdünken mitregierte. Aus und vorbei. Beispiel Elfenbeinküste: Trotz Entsendung von 3500 Soldaten und diplomatischer Anstrengungen gelang es Paris nicht, das am Rande des Bürgerkriegs stehende Land zu stabilisieren.

Ähnlich sieht es im Nahen Osten aus, wo Paris trotz seiner einst exzellenten Beziehungen in die arabische Welt und eines massiven Militär-Engagements im Libanon kaum noch Gehör findet. Besonders französische Politiker der älteren Generation haben sichtlich Probleme mit dem Bedeutungsverlust. So erinnern sich deutsche Diplomaten noch heute mit Grausen daran, wie Chirac 2000 beim EU-Gipfel von Nizza die Berliner Forderung nach einer höheren Stimmengewichtung für Deutschland aufgrund seiner größeren Bevölkerungszahl mit der herrischen Bemerkung konterte: "Aber wir haben die Bombe!" Solche brutalen Sprüche würden französische Regierungspolitiker heute wohl nicht mehr wagen.

Dafür hat Frankreichs Diplomatie die Sprengkraft eines kleinen Wortes entdeckt: "Non". Ob nun beim Klimaschutzabkommen oder den Verhandlungen über Kultur-Exporte: Stets haben sich die Franzosen in den letzten Jahren gegen die einzige verbleibende Supermacht gestemmt, die USA. Sein Meisterstück lieferte Chirac ab, als er "non" zum Irak-Krieg sagte. Doch am Ende konnte Frankreich diese Haltung kaum in weltpolitischen Einfluss ummünzen. Und seit die Franzosen 2005 "non" zur EU-Verfassung gesagt haben, steht ihr Land auch in Europa in der Ecke. "Wir liegen weit abgeschlagen hinter Deutschland", seufzt ein französischer EU-Spitzenbeamter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort