Das Ende von Jupiter Welche Aufgaben Emmanuel Macron nach seiner Wiederwahl erwarten

Paris · Emmanuel Macron muss nach seinem Wahlsieg die Franzosen wieder zusammen bringen. Dazu gehört ein neuer Führungsstil. Der Staatschef, der 2017 eine „jupiterhafte" Präsidentschaft angekündigt hatte, muss vom Olymp herabsteigen.

 Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, feiert nach der Wahl am 24. April mit seinen Anhängern.

Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, feiert nach der Wahl am 24. April mit seinen Anhängern.

Foto: dpa/Christophe Ena

Emmanuel Macron hat eine zweite Chance bekommen. Der Präsident darf weitere fünf Jahre regieren und es sollen „bessere Jahre“ werden, wie er am Abend seiner Wiederwahl sagte. Nach seiner ersten Amtszeit hat der 44-Jährige zwar Erfolge aufzuweisen, hinterlässt aber ein tief gespaltenes Land. Die Trennlinien verlaufen zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Jung und Alt. „Emmanuel Macron wird viel Arbeit damit haben, die Dinge wieder zusammen zu bringen, die beachtlichen Risse zu kitten, die Franzosen wieder zu vereinen“, sagt der Politologe Bruno Cautrès in der Zeitung „Parisien“ voraus.

Mit 58,5 Prozent gewann der Staatschef die Stichwahl zwar deutlicher als erwartet. Doch seine rechtspopulistische Rivalin Marine Le Pen fuhr mit 41,5 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis ein. Die 53-Jährige präsentierte sich im Wahlkampf als Kandidatin der Abgehängten und ließ ihr rassistisches und nationalistisches Programm darüber vergessen. Sie zu bekämpfen, wird Macrons Aufgabe in den nächsten fünf Jahren sein.

Dazu muss der Präsident erst einmal seinen Führungsstil ändern. Der Staatschef, der 2017 eine „jupiterhafte" Präsidentschaft angekündigt hatte, muss vom Olymp herabsteigen. Den ersten Schritt machte er bereits bei seiner Siegesfeier auf dem Marsfeld. Statt wie vor fünf Jahren allein die Szene zu betreten, kam der Staatschef zusammen mit seiner Frau Brigitte und dutzenden Kindern. Eine Art Vater der Nation, auch wenn er dafür mit 44 Jahren immer noch reichlich jung ist.

„Natürlich werden wir unsere Art zu regieren ändern“, kündigte sein Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in einem Radiointerview an. „Wir müssen mehr auf das hören, was uns die einen oder anderen zu sagen haben.“ Von Bürgerkonventionen über nationale Debatten bis hin zu Referenden ist nichts mehr ausgeschlossen. Auf die „demokratische Unzufriedenheit“ soll eine Antwort gefunden werden.

In seiner ersten Amtszeit war Macron mit einer Reform des Wahlrechts gescheitert, die zumindest einen Teil der Abgeordneten der Nationalversammlung nach dem Verhältniswahlrecht bestimmen sollte. Das Mehrheitswahlrecht bildet die politische Landschaft nämlich schon lange nicht mehr ab und trägt zur Wahlenthaltung bei. Der Anteil derjenigen, die zu Hause blieben, war diesmal mit 28 Prozent so hoch wie seit mehr als 50 Jahren nicht. Dafür äußerte sich nach Macrons Wahlsieg der Widerstand auf der Straße. „Macron, hau ab“, skandierten Demonstrierende in mehreren Städten.

Der Präsident hatte die Wut seiner Landsleute in den vergangenen Jahren immer wieder zu spüren bekommen. Am stärksten manifestierte sie sich durch die Proteste der Gelbwesten, die 2018 gewaltsam gegen den „Präsidenten der Reichen“ demonstrierten. Laut einer Umfrage rechnen 77 Prozent der Französinnen und Franzosen auch in den kommenden Monaten mit Aufruhr und Spannungen.

57 Prozent erwarten gleichzeitig vom Staatschef, dass er das Land wieder zusammenbringt und dafür auch Reformen verschiebt. Von seiner Agenda, die er schon in seiner ersten Amtszeit weitgehend abgearbeitet hat, bleibt Macron ohnehin nur noch die umstrittene Rentenreform. An der will er mit Abstrichen festhalten, auch wenn 2019 Hunderttausende dagegen protestierten. Allerdings will er diesmal die Sozialpartner in sein Projekt einbinden, die er fünf Jahre lang links liegen gelassen hatte. Die Brücken zu den Gewerkschaften wieder aufzubauen, dürfte nichteinfach sein.

Auch die ökologische Wende, die Macron in den nächsten Wochen vollziehen will, dürfte ein Kraftakt werden. Der Staatschef hatte in den vergangenen fünf Jahren Umwelt- und Klimaschutz vernachlässigt und war dafür sogar vom eigenen Klimarat gerügt worden. Erst auf den letzten Metern des Wahlkampfs stellte er die Ökologie nach vorn, um eine linksgrüne Wählerschaft zu gewinnen. Die verhalf ihm am Sonntag zum Sieg, ohne ihn oder sein Programm wirklich zu unterstützen. Nun steht er bei diesen Wählerinnen und Wählern im Wort: ein neuer Regierungschef soll sich künftig um die ökologische Planung kümmern.

Viel Zeit, eine geeignete Persönlichkeit für den komplizierten Posten zu finden, hat der Wahlsieger nicht, denn im Juni stehen die Parlamentswahlen an. Und Macron kann seine nächste Amtszeit nur zu einem Erfolg machen, wenn er auch eine Mehrheit in der Nationalversammlung bekommt. Getreu seiner Devise von 2017, „weder rechts noch links“ zu sein, sucht er sich dafür Verbündete auf beiden Seiten. Doch die extremistische Opposition könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Der Linksextremist Jean-Luc Mélenchon hofft ebenso wie Le Pen, das Land mit einer Mehrheit in der Assemblée Nationale unregierbar zu machen. „Die nächsten fünf Jahre werden nicht ruhig sein“, hatte der Staatschef am Sonntagabend angekündigt. Der Ärger könnte für ihn schon im Juni anfangen.

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