Angriffe auf Kirchen geplant Terror-Angst kehrt nach Frankreich zurück

Paris · Ein polizeibekannter Islamist plante offenbar Angriffe auf Kirchen. Die Nation sieht sich einer neuen Qualität der Bedrohung gegenüber.

 Französische Polizisten gestern in Saint-Dizier in Ostfrankreich. Dort lebte der Terrorverdächtige zeitweise mit seiner Familie.

Französische Polizisten gestern in Saint-Dizier in Ostfrankreich. Dort lebte der Terrorverdächtige zeitweise mit seiner Familie.

Foto: afp

Bernard Cazeneuve hatte wieder schlechte Nachrichten. Frankreichs Innenminister, ein bedächtiger Mann, der bereits nach der islamistischen Anschlagserie im Januar im Fokus stand, teilte den Franzosen gestern mit, die Polizei habe am Sonntag einen Informatik-Studenten festgenommen, der bewaffnete Angriffe auf ein oder zwei Kirchen im Großraum Paris geplant hatte. Die Attentate hätten unmittelbar bevorgestanden.

Sie wurden mit der Festnahme zwar vereitelt, doch Regierungschef Manuel Valls warnte: "Unser Land steht vor einer noch nie da gewesenen terroristischen Bedrohung." Der konservative Abgeordnete Philippe Meunier forderte beim Kurznachrichtendienst Twitter bereits mehr Sicherheitskräfte vor den Kirchen: "Islamistische Attentate - die Regierung schützt die Moscheen. Es ist Zeit, die Kirchen zu schützen."

Gestern standen drei Polizisten in dem Pariser Vorort Villejuif vor den Toren der Kirche St-Cyr-et-Ste-Julitte, die angeblich eines der Anschlagsziele war. Der Bischof von Créteil, Michel Santier, rief dazu auf, "nicht der Angst nachzugeben". Man könne nicht vor jede Kirche einen Polizisten stellen.

Wie gefährlich der Verdächtige war, zeigt das Arsenal an Waffen, das die Polizei in seinem Auto entdeckte: Kalaschnikow-Gewehre, wie sie die Attentäter beim Angriff auf die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" im Januar nutzten, Handfeuerwaffen, schusssichere Westen und Munition. In der Wohnung des gebürtigen Algeriers, der seit 2009 in Frankreich lebt, stieß die Polizei dann auf Dokumente, aus denen unmissverständlich die Anschlagspläne hervorgingen, wie Cazeneuve sagte.

Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem jüdische Einrichtungen in Frankreich Ziele von Terrorangriffen geworden waren, sind bewaffnete Angriffe gegen christliche Einrichtungen neu. "Wir kommen zu einem Punkt, wo sich die Christen vielleicht ebenso Sorgen machen müssen wie die Juden", sagte der Terrorexperte François-Bernard Huyghue, für den eine "psychologische Grenze" überschritten ist, im Sender BFMTV.

Die Polizei war am Sonntag eher zufällig auf die Spur des Studenten gekommen. Der 24-Jährige hatte am Morgen selbst den Notarzt wegen einer Schusswunde am Bein gerufen. Als die Sanitäter die Polizei holten, folgten die Beamten einer Blutspur bis zum Waffenversteck im Auto des Mannes. Da dort mehrere Waffen lagerten, drängt sich die Frage auf, ob der Franko-Algerier Komplizen hatte. Seine Schwester soll eine radikale Muslima sein; zumindest mit einer weiteren Person hat er sich nach Erkenntnissen der Ermittler über die Pläne ausgetauscht.

Der Verdächtige, der gestern noch im Krankenhaus behandelt wurde, soll sich die Verletzung beim tödlichen Überfall am Sonntag auf eine Fitnesslehrerin zugezogen haben. Die 32-Jährige war in Villejuif mit drei Schüssen getötet worden; ihr Auto wurde danach angezündet. In dem Fahrzeug der Mutter einer fünfjährigen Tochter fand die Polizei Erbgut-Spuren des Verdächtigen.

Der Mann stand bereits unter Beobachtung der Polizei. Er hatte wegen Plänen, als Dschihadist nach Syrien zu reisen, die Einstufung "S" für diejenigen, die der Sicherheit des Staates gefährlich werden könnten. Nach einer einwöchigen Reise in die Türkei soll der Algerier bereits in Polizeigewahrsam gewesen sein. Für eine Festnahme habe die Polizei nichts in der Hand gehabt, sagte Regierungssprecher Stéphane Le Foll. Auch der Attentäter Amédy Coulibaly, der im Januar nach der Attacke auf "Charlie Hebdo" eine Polizistin und vier Menschen in einem jüdischen Supermarkt getötet hatte, besaß den Vermerk "S".

Die neuen Anschlagspläne kommen zu einem Zeitpunkt, da die Nationalversammlung ein neues Geheimdienstgesetz debattiert. Der umstrittene Text gibt den Sicherheitsbehörden umfassende Befugnisse bei der Überwachung von Terrorverdächtigen. So soll im großen Rahmen die Nutzung des Internets überwacht werden. Auch Wanzen in Wohnungen und das Mithören von Handy-Gesprächen sollen erlaubt werden. Die Entscheidung, ob und wo spioniert wird, liegt beim Regierungschef, ohne dass ein richterlicher Beschluss nötig ist.

Das Gesetz, das nach Ansicht von Kritikern zur Massenüberwachung führen könnte, ist eine Konsequenz der Anschlagserie im Januar, bei der 17 Menschen starben. Die Brüder Kouachi hatten am 7. Januar die Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" mitten in Paris überfallen und dabei zwölf Menschen getötet. Sie standen mit Amédy Coulibaly in Verbindung, der fünf Menschen erschoss.

(RP)
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