Kommunalwahlen in Frankreich "Es gibt alarmierende Signale für François Hollande"

Paris · Marode Stimmung vor Kommunalwahlen in Frankreich: Sozialistische Regierung im Rekord-Popularitätstief, konservative Opposition im Sumpf der Sarkozy-Affären. Werden die Wähler Hollande abstrafen oder einfach den Urnen fern bleiben? Wie stark mobilisieren die Rechtspopulisten? Der Ausgang ist so ungewiss wie nie.

Hollande - Frankreichs Präsident
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Auf den Marktplätzen schütteln sie nochmal verstärkt Hände, verteilen Parteiprogramme und putzen Klinken, um unentschlossene Wähler zu mobilisieren: Für die rund 926.000 Kandidaten bei den französischen Kommunalwahlen geht es in die Zielgerade. Am Sonntag werden in knapp 37.000 Kommunen Bürgermeister und Gemeinderäte neu gewählt.

Wo keine absolute Mehrheit erreicht wird, geht es am 30. März in die Stichwahl. Der Urnengang gilt als wichtiger Stimmungstest für das politische Kräfteverhältnis im Land: Es ist die erste landesweite Abstimmung seit dem Amtsantritt von François Hollande 2012.

"Alarmierende Signale"

"Es gibt alarmierende Signale für die Regierungsmehrheit", sagt Meinungsforscher Jérôme Fourquet. Die Sozialisten müssen fürchten, dass ihnen die Wähler die gelbe Karte zeigen werden. Die Stimmung in der Bevölkerung ist ihnen alles andere als wohlgesonnen. Stattdessen könnte die Nationale Front (FN) von Marine Le Pen stark zulegen. Die Rechtspopulisten stellen diesmal mit knapp 600 Listen eine Rekord-Zahl an Kandidaten auf. Viele Parteimitglieder kandidieren zum ersten Mal. Umfragen zufolge heißen inzwischen 34 Prozent der Franzosen die FN-Ideen gut — Tendenz steigend.

Ein gutes Abschneiden im ersten Durchgang bedeutet aber nicht automatisch den Einzug in entsprechend viele Rathäuser und Kommunalparlamente. Das verhindert das komplizierte Wahlsystem mit zwei Durchgängen: Falls keiner in der Erstrunde die absolute Mehrheit erreicht hat, kommen die Listen in die Stichwahl, die mindestens zehn Prozent der abgegeben Stimmen erhalten haben. Dabei kann es zu zahlreichen Drei- und Vierecks-Konstellationen kommen. Entscheidend für das Endergebnis sind daher auch das Wählerverhalten im zweiten Durchgang und die Wahlbeteiligung insgesamt.

"Selten war eine Prognose so ungewiss"

Doch hier tappen die Demoskopen diesmal vollkommen im Dunkeln. Waren bei der letzten Kommunalwahl vor sechs Jahren bereits rund 39 Prozent der Wähler zu Hause geblieben, könnte die Zahl der Nicht-Wähler diesmal noch höher sein. Zahlreiche Bürger schwanken offenbar zwischen Enthaltung und FN-Protestwahl. "Selten war eine Prognose so ungewiss", urteilt der Chefredakteur des Magazins "L'Express" Christophe Barbier. Damit bleibt der Wahlausgang spannend - auch wenn eigentlich alle Bedingungen vereint wären, für eine linke Wahlschlappe.

Seit Monaten kommt Hollande aus dem Rekord-Popularitätstief nicht hinaus. Einer jüngsten Umfrage zufolge kritisieren fast 80 Prozent der Franzosen die Politik des Sozialisten. Ihre Hauptsorge gilt der hohen Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftslage. Trotz gegenteiliger Versprechen hat es Hollande - ähnlich wie seine Vorgänger - bisher nicht vermocht, die Erwerbslosenquote von rund elf Prozent abzusenken und das Land aus der Rezession zu führen. Selbst traditionelle Linkswähler sind vom Präsidenten enttäuscht.

Der Chef der wichtigsten Oppositionspartei UMP, der konservative Jean-François Copé, übt sich daher in Optimismus. Er träumt davon, die französische Landkarte wieder in die blaue Farbe der Rechtsbürgerlichen zu tauchen und den Linken so viele Städte und Gemeinden wie möglich abzunehmen.

Die Wähler rief er auf, Hollande mit dem Stimmzettel abzustrafen: "Es gibt nicht viele Gelegenheiten, Herrn Hollande Stopp zu sagen. Das ist eine. Nützen wir sie!" Meinungsforscher sind allerdings skeptisch: "Es wird sehr schwierig für die UMP, eine blaue Welle herbeizuführen", sagt Brice Teinturier von IPSOS. Das hat zum einen Partei-interne Gründe: Seit der Niederlage von Nicolas Sarkozy bei der Präsidentschaftswahl verstrickt sich die UMP in Macht- und Flügelkämpfe. Dazu kommen die jüngsten Enthüllungen über die vermeintlichen Sarkozy-Affären, - die am Mittwoch durch Medienberichte neue Nahrung erhielten. Außerdem steht Copé selbst unter Korruptionsverdacht. "In Frankreich geht es niemandem schlechter als den Linken - außer den Rechtsbürgerlichen", witzelte das Magazin "L‘Express".

Ist das nun die Stunde der Rechtspopulisten? Brice Teinturier ist vorsichtig: "Sie dürften zwar in vielen Kommunen Stimmen hinzugewinnen, letzten Endes aber wohl nur ein paar Städte tatsächlich erobern." Die Kommunalwahl sei und bleibe eine lokale Abstimmung. Das sehen auch andere Demoskopen so. Demnach wollen 65 bis 70 Prozent der Bürger einzig und allein nach lokalen Gesichtspunkten abstimmen, 58 Prozent seien mit ihrem aktuellen Bürgermeister zufrieden. Damit könnte die Nationale Front zwar in vielen Fällen zum Zünglein an der Waage werden, das Debakel für die Sozialisten am Ende aber überschaubar bleiben.

Während die Konservativen davon träumen, Städte wie Toulouse, Straßburg und Reims zurückzuerobern, hofft die Linke im Gegenzug darauf, den Bürgerlichen Marseille, Aix-en-Provence und Nancy abzujagen und zumindest das bereits sozialistisch regierte Paris zu bewahren. Für die Hauptstadt stehen die Chancen gut: Alle Umfragen sagen einen Sieg der sozialistischen Kandidatin Anne Hidalgo gegen die frühere Sarkozy-Ministerin Nathalie Kosciusko-Morizet voraus. Damit käme zum ersten Mal eine Frau an die Spitze von Paris.

(sys)
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