Kutlturangst vor dem Internet Frankreich erwägt Handy-Steuer

Paris · Wie kann Frankreich seine berühmte "exception culturelle" im digitalen Zeitalter bewahren? Diese Frage beschäftigt die Kulturnation seit längerem. Schließlich ist unser Nachbarland besonders stolz auf seine kulturelle Ausnahme. Diese besteht darin, die heimische Kultur den ausschließlichen Gesetzen des Marktes zu entziehen und Kino, Theater und Fernsehen mit Subventionen zu fördern und durch Quoten vor der Überflutung durch Hollywood-Produkte zu bewahren. Das Internet aber und illegale Downloads gefährden die Finanzierung.

Frankreichs Minister legen Vermögen offen
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Die Lösung könnte nun eine neue Steuer auf Smartphones, Tablet-Computer, Spielkonsolen und E-book-Lesegeräte bringen. Danach soll ein Zuschlag von ein bis vier Prozent auf den Verkaufswert aller Geräte erhoben werden, die via Internet Zugang zu "kulturellen Inhalten" bieten.

Betroffen wären auch nicht-französische Anbieter sowie die wichtigsten Vertriebskanäle wie Apple, Google und Youtube, die einen Teil ihrer Gewinne abgeben müssten. Damit würde die bisher kostenlose Nutzung von Inhalten kompensiert.

Nächste Woche im Kabinett

Diese Vorschläge entstammen dem 700-Seiten starken Bericht einer Regierungskommission unter Leitung des ehemaligen "Canal Plus"-Chefs Pierre Lescure. Die Experten sollten der Frage nachgehen, wie die komplexe Förderung der heimischen Kultur den rasanten Veränderungen der digitalen Revolution angepasst werden kann.

Nach monatelangen Beratungen übergaben die Kommission ihre 80 Empfehlungen nun an Präsident François Hollande. In den kommenden Wochen soll das Kabinett darüber beraten. Schon eine 1-prozentige Steuer könnte dem Fiskus Zusatzeinnahmen von 86 Millionen Euro im Jahr einbringen, um gezielt digitales Kulturgut wie Filme und Musik zu fördern. Dem Entwurf zufolge müssten die Steuern so gering gehalten werden, dass sie nicht den Verbraucher bestrafen und den Schwarzmarkt ankurbeln.

Ministerin zeigt sich aufgeschlossen

Kulturministerin Aurélie Filippetti schloss sich der Kommission bereits an. Die Abgabe werde "sehr niedrig ausfallen", so Filippetti. Sie sei aufgrund der hohen Preise für derartige Geräte aber gerechtfertigt und könnte in den kommenden Haushaltsentwurf aufgenommen werden. Die Opposition sowie der Verband DigitalEurope, ein Sprachrohr von Elektroverbänden und -unternehmen, das sich in Brüssel für Smartphone-Hersteller wie Apple und Samsung einsetzt, kritisierten die geplante Handy-Steuer dagegen als "Schritt in die falsche Richtung”.

Frankreichs subventionsgestütztes System der Kulturförderung hat eine lange Tradition. Allein die Filmbranche erhielt im vergangenen Jahr rund 750 Millionen Euro aus Subventionen, die bisher auf Fernsehwerbung, Pay-TV und Kinokarten, Gebühren auf Videokassetten und DVDs sowie einer gesetzlich vorgeschriebene Abgabe der Fernsehsender auf ihren Umsatz erhoben werden. Diese "exception française" ermöglicht dem heimischen Kino eine gewisse Dynamik und hat Frankreich zu einem der wichtigsten Filmproduzenten der Welt gemacht - mit jährlich rund 300 Produktionen, von denen viele ohne Förderung nicht bestehen könnten.

Kaum ein europäisches Land leistet sich zudem so viele Filmfestivals. In Cannes, wo am Mittwochabend die 66. Filmfestspiele eröffnet werden, kommen die meisten der diesjährigen Wettbewerbsbeiträge aus Frankreich.

(pst/jco/csr)
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