Rechter Präsidentschaftskandidat in Frankreich Zemmour zieht mit Sturmgewehr und Stinkefinger in Wahlkampf
Paris · Erwartungsgemäß hat der extrem rechte Publizist Éric Zemmour seine Kandidatur für die französische Präsidentschaftswahl im April erklärt. Der 63-Jährige, der in Wahlumfragen zeitweise sogar auf Platz zwei hinter Präsident Emmanuel Macron rangiert hatte, erklärte sich in einer Videobotschaft zum Kandidaten für die Wahl.
Der Stinkefinger hätte ihn beinahe seine Kandidatur gekostet. Als der rechtsextreme Publizist Eric Zemmour sich kürzlich nach einem Besuch in Marseille verabschiedete, hatte er sich zu der unfeinen Geste hinreißen lassen, die in Frankreich mehr Empörung erregte als seine beiden Verurteilungen wegen Volksverhetzung.
Doch Zemmour entschied sich für die Flucht nach vorn und kündigte am Dienstag per Videobotschaft seine Präsidentschaftskandidatur für die Wahl im April 2022 an. "Ich habe beschlossen, unser Schicksal in meine Hände zu nehmen", sagte Zemmour in dem Video. "Es ist nicht mehr an der Zeit, Frankreich zu reformieren, sondern es zu retten."
Viele Franzosen würden "ihr Land nicht mehr wiedererkennen", sagte der 63-Jährige. Dabei setzte er sich in seiner Videobotschaft vor einer Bücherwand aus dunklem Holz und antik anmutenden Wälzern in Szene. Nach jetzigem Stand tritt Zemmour im April unter anderen gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron an, der derzeit bei 25 Prozent liegt, seine Kandidatur allerdings noch nicht erklärt hat.
Seine eigentliche Konkurrentin aber ist die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen, die er zeitweise in den Umfragen überholt hatte, noch bevor er offiziell Kandidat war. Inzwischen liegt er mit etwa 15 Prozent wieder deutlich hinter Le Pen, die auf 19 Prozent kommt.
Sollten sich die beiden am Ende einigen, dass nur einer von ihnen ins Rennen geht, könnte es für Macron eng werden. Der Grüne Yannick Jadot und die Sozialistin Anne Hidalgo dümpeln in den Umfragen im einstelligen Bereich vor sich hin, die konservativen Republikaner wollen am Samstag ihren Kandidaten bestimmen.
Zemmour hat sich als Journalist, Buchautor und Talkshow-Dauergast mit provokanten Ideen einen Namen gemacht. Er drischt verbal mit Vorliebe auf muslimische Einwanderer ein und hat etwa 15 Gerichtsverfahren hinter sich. Vor knapp zwei Wochen forderte die Staatsanwaltschaft 10.000 Euro Strafe, weil er in einer TV-Debatte minderjährige Migranten als "Diebe, Mörder und Vergewaltiger" verunglimpfte.
Im Oktober richtete Zemmour beim Besuch einer Sicherheits-Fachmesse ein Sturmgewehr auf die ihn begleitenden Journalisten - "Nur zum Spaß", wie er grinsend in die Kameras sagte.
Er vertritt den in rechtsextremen Kreisen verbreiteten Mythos des "großen Austausches", nach dem die europäische Bevölkerung angeblich durch muslimische Migranten und deren Nachfahren ersetzt wird. Kopftuch und Dschellaba sind für Zemmour "Uniformen einer Besatzungsarmee", ausländische Vornamen möchte er verbieten.
Dabei stammt Zemmour selbst aus einer jüdischen algerischen Familie, die während des Algerienkriegs nach Frankreich ausgewandert ist. Aufgewachsen ist er in Pariser Vororten und in einem Einwandererviertel der Hauptstadt. Zwei Mal hat er vergeblich versucht, auf die Elite-Verwaltungshochschule ENA zu kommen, dann wurde er Journalist.
Je frecher und radikaler er auftrat, desto mehr Erfolg hatte er. Eine Weile konnte er seine streitbaren Ansichten täglich bei einer einstündigen Debattensendung in dem stark konservativen Sender CNews verbreiten. Prominente Unterstützung erhielt er auch von Jean-Marie Le Pen, der von dem milderen Kurs seiner Tochter enttäuscht ist, und von Marion Maréchal, der verfeindeten Nichte der Präsidentschaftskandidatin.
Für Sonntag plant Zemmour im Pariser Konzertsaal Zenith seine erste große Wahlkampfveranstaltung. Aber je näher der Termin rückte, desto unsicherer schien der Kandidat zu werden. Bei seinem Besuch in Marseille vergangene Woche gab er kein gutes Bild ab - angefeindet von linken Demonstranten, umgeben von Sicherheitskräften, Unterstützer waren kaum zu sehen. Der Stinkefinger aus dem Autofenster heraus, für den er sich später halbherzig entschuldigte, war der unschöne Abschluss eines unrühmlichen Auftritts.
Marine Le Pen konstatierte dazu trocken: "Die Wandlung von einem Polemiker zum Kandidaten hat nicht funktioniert." Sie rief Zemmour auf, sich ihr samt seiner Wählerschaft anzuschließen.