Schiiten-Miliz droht mit Angriffen auf US-Militärsperre Folteraffäre in Irak erschüttert Glaubwürdigkeit Bushs

Washington (rpo). Die Bilder misshandelter iraktischer Gefangener hat das Ansehen von US-Präsident George W. Bush erschüttert. Und das zu einer Zeit, da der Widerstand von Schiiten und Sunniten aggressiver wird. Ein kanadischer Soldat, der irrtümlich von US-Soldaten verhaftet wurde, äußerte sich jetzt zu der Folteraffäre: "Ich sah, wie Iraker mehr gefoltert wurden als ich", sagte der 57-jährige Hossam Shaltout.

2004 veröffentlichte Fotos: Irakische Gefangene gefoltert
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2004 veröffentlichte Fotos: Irakische Gefangene gefoltert

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Foto: AP

Über die Misshandlung von Häftlingen in Irak wusste man offenbar schon im Herbst des vergangenen Jahres Bescheid. Die US-Streitkräfte gingen damals schon ersten Hinweisen nach. Die Ergebnisse sollen unter Verschluss sein, teilte ein Sprecher von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am Montag in Washington mit. Diese erste Untersuchung sei nach Angaben des Sprechers von einem hohen Kommandeur der Besatzungstruppen angeordnet worden. Der UN-Sonderbeauftragte gegen Folter, Theo von Boven, äußerte ernste Besorgnis über die Berichte von Folterungen und "anderer grausamer, unmenschlicher und entwürdigender Behandlung".

In Portland im US-Staat Oregon verklagte ein kanadischer Staatsbürger, der in Irak inhaftiert war, die US-Streitkräfte wegen irrtümlicher Verhaftung, Folter und Körperverletzung auf Schadensersatz von 350.000 Dollar. Er sei nach seiner Festnahme am 9. April vergangenen Jahres drei Tage lang in einem Schützenpanzer gefangen gehalten worden und nach Protesten gegen seine Festnahme geschlagen worden. "Sie haben Irakern unaussprechliche Dinge zugefügt", sagte der 57-jährige Hossam Shaltout.

Der Kanadier benannte eine 35-jährige Soldatin im Rang eines Feldwebels, die er bei Misshandlungen am Namenschild ihrer Uniform erkannt habe. Diese wurde bereits wegen anderer Vorfälle im südirakischen Internierungslager Camp Bucca aus dem Dienst entlassen und beschuldigt, Gefangene geschlagen zu haben. In einem Interview sprach die 35-Jährige von schlechter Organisation in den Gefangenenlagern. So seien zeitweise zwei Soldaten für die Bewachung von bis zu 500 Gefangenen zuständig gewesen.

Sadr-Miliz droht mit Angriffen auf US-Posten

Unterdessen haben die Milizen des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr mit Angriffen auf US-Militärsperren zwischen den Städten Nadschaf und Kufa gedroht. Jede Sperre werde als "Provokation" angesehen, sagte ein Sprecher der Schiitenmiliz der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Gleichzeitig gab er den US-Soldaten die Schuld an den jüngsten Gefechten bei Nadschaf, bei denen am Montag fünf Iraker, unter ihnen vier Zivilisten, getötet worden waren; 20 weitere Iraker wurden verletzt. Die Soldaten hätten an ihrem Stützpunkt auf einen Miliz-Transporter gefeuert, der von Nadschaf nach Kufa unterwegs gewesen sei. Daraufhin lieferten sich die Milizen eine Schießerei mit den US-Soldaten.

Auf dem Stützpunkt hatte die US-Armee erst kürzlich abziehende spanische und lateinamerikanische Soldaten ersetzt. Rund um die heilige Schiitenstadt Nadschaf kommt es häufig zu Schießereien. In der Stadt hält sich Sadr verschanzt. Die US-Armee will ihn festnehmen oder töten.

Bush will Affäre schnell aufklären

US-Präsident George W. Bush hat seinen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld aufgefordert, die Affäre schnell und restlos aufzuklären und sicherzustellen, dass alle für schuldig befundenen Soldaten bestraft werden. Die Ermittlungen zu Misshandlungen im Lager Abu Ghraib bei Bagdad wurden nach Angaben von Rumsfelds Sprecher Larry Di Rita am 15. März abgeschlossen, gut sechs Wochen vor Veröffentlichung der Fotos, die die Affäre weltweit publik gemacht haben. Am 20. März wurden daraufhin Strafverfahren gegen sechs Militärpolizisten eingeleitet. Drei dieser Fälle wurden an Militärgerichte verwiesen, in drei anderen Fällen stehen noch weitere Anhörungen aus. Sieben weitere Militärpolizisten erhielten schriftliche Ermahnungen.

Rumsfeld selbst hat sich seit Bekanntwerden der Misshandlungen noch nicht öffentlich dazu geäußert. Einem Präsidentenberater zufolge will Bush möglichst bald einen schriftlichen Bericht des Pentagon-Chefs sehen. Auch Abgeordnete des Kongresses dringen auf schnelle Aufklärung.

Der Fernsehsender CBS gab bekannt, dass die Berichterstattung über die Misshandlungen um zwei Wochen verschoben wurde, weil der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, General Richard Myers, ausdrücklich darum gebeten hat. Zur Begründung habe Myers die gespannte Lage in Falludscha angeführt. Bei der Ausstrahlung der Sendung am Mittwoch vergangener Woche seien die Zuschauer dann auf die Verschiebung hingewiesen worden.

Doch sicher ist, dass die Folterbilder aus Bagdad Zweifel an der korrekten Behandlung Gefangener durch amerikanische Sicherheitskräfte über Irak hinaus nähren - natürlich auch in Hinblick auf Guantanamo, wo noch 600 so genannte "feindliche Kämpfer" festgehalten werden. "Es wird deutlicher, dass wir Gefangene nicht so behandeln, wie es zivilisierte Menschen eigentlich tun sollten", sagt Ivo Daalder von der Brookings-Institution.

Amnesty International wirft den Koalitionstruppen systematische Folterungen über Monate vor und fordert eine unabhängige Untersuchung. Auch eine Vereinigung hoher sunnitischer Geistlicher in Irak hat sich für ein Ermittlungsverfahren unter Beteiligung internationaler Experten ausgesprochen. Das irakische Innenministerium fordert als Konsequenz aus den Vorfällen, das die Iraker in die Beaufsichtigung aller Gefängnisse mit einbezogen werden.

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