Grenzsicherungen im Gespräch Österreich erwägt Schließung des Brenner

Wien · Nach der Asyl-Einigung der Union kündigte Österreichs Regierung an, sollte der deutsche Plan umgesetzt werden, könnten Grenzkontrollen zu Italien eingeführt werden.

 Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bei einer Pressekonferenz.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz bei einer Pressekonferenz.

Foto: AFP/GEORG HOCHMUTH

Nach der Asyl-Einigung der Union haben der Koalitionsparter SPD und Österreich Bedenken geäußert. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte am Dienstag, es gebe noch "erheblichen Beratungsbedarf". Für Kritik bei den Sozialdemokraten sorgen vor allem die von CDU und CSU vereinbarten Transitzentren, in denen bereits in anderen EU-Staaten registrierte Migranten untergebracht werden sollen. Am Abend wollten die Spitzen der drei Regierungsparteien erneut im Koalitionsausschuss zusammenkommen. Österreichs Regierung kündigte an, sollte der deutsche Plan umgesetzt werden, könnten Grenzkontrollen zu Italien eingeführt werden. Seehofer will am Donnerstag nach Wien reisen, um mit der österreichischen Regierung ein Abkommen zum Umgang mit Flüchtlingen auszuhandeln. Neben den Transitzentren sollen nach dem Willen der Union auch Abkommen mit anderen EU-Staaten dafür sorgen, dass keine in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber nach Deutschland einreisen können. Seehofer sagte, er habe bereits mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz telefoniert. "Ich habe den Eindruck, dass er an vernünftigen Lösungen interessiert ist." In einer schriftlichen Erklärung erklärte Kurz jedoch: "Die Einigung von CDU und CSU deutet darauf hin, dass Deutschland nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Migrationsströme setzen will." In diesem Fall müsste Österreich an seiner Südgrenze handeln.

Innereuropäische Grenzkontrollen könnten zurückkommen

Sollten auch andere europäische Staaten dem Beispiel Österreichs folgen, wäre der Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen gefährdet, eine der zentralen Errungenschaften der EU. Kurz wollte noch am Dienstag ausführlicher zu dem Kompromiss von CDU und CSU Stellung nehmen. Seehofer kündigte an, auch mit weiteren EU-Ländern zu verhandeln. Er wolle möglichst noch am Dienstag mit dem italienischen Innenminister Matteo Salvini reden. In Italien ist der Widerstand gegen die Aufnahme von Migranten und Flüchtlinge besonders groß, zumal viele der von Nordafrika kommenden Flüchtlinge zum ersten Mal in Italien die EU betreten. Seehofer sagte weiter, auch mit Spanien und Griechenland sollen Verhandlungen über die Rücknahme von Flüchtlingen beginnen.

Juncker sieht Unionspläne im Einklang mit EU-Recht

Von der EU-Kommission kamen positive Signale. Der Asylkompromiss der Union verstoße nach seiner Einschätzung nicht gegen europäisches Recht, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Unter Hinweis auf das Europa-Recht hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Forderung von Seehofer abgelehnt, Flüchtlinge auch unabgestimmt mit anderen EU-Staaten an der Grenze abzuweisen. Erst nach einer Krisensitzung der Unionsspitzen am Montagabend konnten beide Parteichefs ihre massiven Differenzen beilegen. Für die SPD mahnte Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles "erheblichen Beratungsbedarf" an. Knackpunkt für die SPD sind die geplanten Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze. An der Grenze sollen Asylbewerber an der Einreise gehindert werden, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind. Dafür sollen Transitzentren eingerichtet werden, aus denen solche Flüchtlinge dann zurück in die EU-Einreisestaaten gebracht werden sollen. Die Rückführung in die Registrierungsländer soll auf Grundlage von Verwaltungsabkommen mit diesen Staaten erfolgen, die Seehofer nun aushandeln will. Für SPD-Politiker ist ausschlaggebend, dass aus den Transitzentren keine gefängnisartigen Einrichtungen werden. Juso-Chef Kevin Kühnert wies darauf hin, dass sich die SPD bereits früher gegen geschlossene Einrichtungen ausgesprochen habe. "Und deswegen erwarte ich jetzt auch ganz klar, dass wir da auch nicht einfach einknicken", sagte er im RBB.

Mehr Schleierfahndung im Grenzgebiet

Teil des neuen Grenzregimes ist auch die Ausweitung der Schleierfahndung. Damit sollen im Rückraum der Grenzen Flüchtlinge ermittelt werden, die bereits in anderen EU-Staaten registriert worden sind. In der CDU wird erwartet, dass dadurch sehr viel mehr Personen festgestellt werden als durch die mit der CSU vereinbarten Maßnahmen für das bayrisch-österreichischen Grenzgebiet.

Zahlreiche Unionspolitiker zeigten sich erleichtert, dass Seehofer seine Rücktrittsdrohung nach dem Kompromiss mit Merkel zurücknahm. So erklärte etwa CSU-Generalsekretär Markus Blume, der Unionskompromiss sei "etwas Großes". Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring sagte im Deutschlandfunk, er sei sich ziemlich sicher, dass nach dem Ergebnis keine Wunden blieben. Seehofer war zuletzt Merkel sehr hart angegangen. "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist", hatte er der "Süddeutschen Zeitung" unmittelbar vor Beginn der entscheidenden Krisensitzung der Unionsspitzen gesagt.

(felt/Reuters)
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