Flüchlinge Baden-Württemberg bereitet sich auf Grenzkontrollen vor

Berlin · Angesichts von 250.000 erwarteten Mittelmeerflüchtlingen in Italien verstärkt Baden-Württemberg seine Polizeikräfte. Immer mehr Asylsuchende stammen aus Afrika. Die Lage in Bayern ist vergleichsweise entspannt.

 Die italienische Regierung rechnet für 2017 mit rund 250.000 Flüchtlingen aus Afrika.

Die italienische Regierung rechnet für 2017 mit rund 250.000 Flüchtlingen aus Afrika.

Foto: FERL

Die Bundesregierung sieht zwar noch keinen Anlass für offizielle Grenzkontrollen zwischen Deutschland und der Schweiz, doch Baden-Württemberg bereitet sich angesichts von 250.000 in diesem Jahr in Italien erwarteten Mittelmeerflüchtlingen auf ein massives Eingreifen vor. "Wir werden das Mittelmeer in den kommenden Wochen scharf im Blick haben", sagte Landesinnenminister Thomas Strobl unserer Redaktion. "Noch haben wir die Grenze zur Schweiz gut unter Kontrolle, aber sollte sich die Lage an der italienisch-schweizerischen und in der Folge an der schweizerisch-deutschen Grenze verschärfen, werden wir handeln", kündigte der CDU-Politiker an.

Nach Angaben seines Ministeriums hatte sich die Zahl der illegalen Grenzübertritte aus der Schweiz zu Beginn des Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres von 307 auf 914 fast verdreifacht. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies darauf, dass im Oktober vergangenen Jahres eine verstärkte Schleierfahndung, also auch verdachtsunabhängige Personenkontrollen, vereinbart worden sei. "Wenn man mehr hinguckt, wird man immer mehr finden", erläuterte der Sprecher. Jüngste Daten, die allerdings erst in einer Rohfassung vorlägen, deuteten darauf hin, dass sich die extreme Steigerung nicht fortgesetzt habe, die Zahlen wieder zurückgegangen seien.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann verwies darauf, dass die Zahl der Aufgriffe illegal Eingereister an der bayerisch-österreichischen Grenze nach wie vor gering sei und sich eine Steigerung derzeit nicht feststellen lasse. "Das zeigt, dass unsere Unterstützung der Bundespolizei bei der Grenzkontrolle funktioniert", stellte Herrmann fest. Nach langem politischen Tauziehen hatte die Bundesregierung entschieden, das Mitwirken der bayerischen Landespolizei an den eigentlich allein dem Bund obliegenden Grenzkontrollen zuzulassen. Wenn an anderen deutschen Grenzen die Zahlen stiegen, spreche alles dafür, "dass die anderen Bundesländer stärker kontrollieren müssen", so der CSU-Politiker.

Strobl verwies darauf, dass er zu dieser Frage in einem ständigen Dialog mit dem Bundesinnenminister sei. "Wir werden gegebenenfalls das Notwendige tun - bis hin zu Grenzkontrollen", erklärte Strobl. Die Landespolizei sei bereits verstärkt worden. Strobl: "Wir wissen um die Lage und werden zu jedem Zeitpunkt die notwendigen Schritte in die Wege leiten."

Insgesamt sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums von Januar bis März 47.300 Asylsuchende nach Deutschland eingereist. Ein Blick auf die Hauptstaatsangehörigkeiten der Flüchtlinge belegt einen doppelten Befund: dass die Zahl insgesamt drastisch zurückgegangen ist, dass es aber offenkundig eine Verlagerung hin zu mehr Flüchtlingen aus Afrika gibt, die in der Mehrzahl den Weg über das Mittelmeer wagen. Auf der einen Seite sank im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr die Zahl der Syrer von 89.292 auf 12.252, die der Afghanen von 20.257 auf 5952, die der Iraker von 25.942 auf 5321 und die der Albaner von 3679 auf 1737. Dagegen stieg die Zahl der Eritreer von 2422 auf 3468, die der Somalier von 614 auf 2048 und die der Nigerianer von 880 auf 1926. Auch die Folgen des in der Türkei vereitelten Putsches und nachfolgenden Ausnahmezustandes schlagen sich in den Eingangszahlen nieder. So stieg die Zahl der Türken mit Asylbegehren von 550 im ersten Quartal vergangenen Jahres auf 1677 seit Beginn diesen Jahres.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die Zahl der abgeschlossenen Asylverfahren erneut gesteigert: von 71.500 im Februar auf 80.600 im März. Vor einem Jahr waren es im März noch 49.300 gewesen. Die Mehrzahl der Fälle endete nicht mit einem dauerhaften Bleiberecht. 20,7 Prozent der Antragsteller wurden als Flüchtlinge anerkannt, darunter 0,4 Prozent als Asylberechtigte, 18,5 Prozent erhielten den sogenannten subsidiären Schutz, weil ihnen in ihrer Heimat schwere Gefahren drohen würden, weitere 6,8 Prozent erhielten ein Abschiebungsverbot.

Der größte Teil der Anträge (37,4 Prozent) wurde abgelehnt. Weitere 16,6 Prozent hatten sich anderweitig erledigt, etwa weil der Antrag zurückgenommen wurde oder im Rahmen des Dublin-Verfahrens ein anderer EU-Staat zuständig war. Die Zahl der noch nicht entschiedenen Anträge ging auf 278.000 zurück.

(RP)
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