Faktencheck nach den Trump'schen Vorwürfen Wie "böse" ist der deutsche Export wirklich?

Berlin · Trump beschwert sich bei der EU über die hohen deutschen Handelsüberschüsse. Damit löst der US-Präsident Irritationen aus. Er wirkt zunehmend isoliert - umso größer wird die Furcht vor protektionistischen US-Maßnahmen.

 Über den Hamburger Hafen verlassen viele deutsche Waren das Land (Symbolbild).

Über den Hamburger Hafen verlassen viele deutsche Waren das Land (Symbolbild).

Foto: dpa, chc fdt fgj

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte am Freitag die Wogen zu glätten. Ja, der US-Präsident habe sich bei ihm über den hohen deutschen Handelsüberschuss beschwert. Ja, dabei seien auch die Worte "bad, very bad" gefallen. Allerdings sei das von Donald Trump nicht aggressiv vorgetragen worden. ",Bad' heißt nicht böse", sagte Juncker. Deutsche Medien hatten zuvor unter Berufung auf Teilnehmer aus dem Gespräch mit Juncker am Donnerstag berichtet. Ein Zitat Trumps wurde von den Medien auf deutsch so wiedergegeben: "Die Deutschen sind böse, sehr böse." Juncker bezeichnete diese Übersetzung als übertrieben. "Man muss das richtigstellen", sagte er. "Ich bin kein Spezialist im Englischen, wie man weiß, aber: ,Bad' heißt nicht böse, schlecht reicht."

Die Sorge um US-Protektionismus steigt

Was bleibt, sind erneut tiefe Irritationen. Trumps Kritik ist nicht neu, doch hatte Berlin gehofft, Trump habe in den vergangenen Monaten doch eingesehen, was der wichtigste Grund für das Ungleichgewicht ist - dass nämlich die Amerikaner einfach mehr gute deutsche Produkte kaufen wollen als umgekehrt. Das aggressive Auftreten des US-Präsidenten, der sich damit international zunehmend isoliert, zeugte jedoch nicht von einem Umdenken - und so wächst nun wieder die Furcht vor protektionistischen Maßnahmen, etwa US-Strafzöllen auf deutsche Produkte.

Wie hoch ist der deutsche Außenhandelsüberschuss gegenüber den USA? Tatsächlich exportierten deutsche Firmen 2016 Waren im Wert von 107 Milliarden Euro in die USA, während die US-Wirtschaft umgekehrt nur etwa die Hälfte oder 58 Milliarden Euro in Deutschland absetzte. Während die Importe aus den USA 2016 konstant blieben, gingen die deutschen Exporte nach dem Rekord von 2015 immerhin schon um zehn Milliarden Euro zurück. Die Bundesregierung argumentiert, der Überschuss werde weiter abnehmen, wenn der Euro-Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar wieder mehr steige.

Und gegenüber der Welt insgesamt? Deutschland wurde 2016 mit einem Handelsbilanzüberschuss von 272 Milliarden Euro Weltmeister und verwies China und Japan auf die Plätze zwei und drei. Damit summierte sich das Handelsplus auf 8,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Fast jeder vierte Arbeitsplatz hängt vom Export ab. Man spricht auch vom "Geschäftsmodell" der deutschen Wirtschaft: Sie wird wesentlich vom Export getragen. Die USA dagegen häuften das weltweit größte Handelsdefizit an. Seit Jahrzehnten importieren die USA erheblich mehr als sie exportieren. Getragen wird die US-Wirtschaft traditionell vom starken privaten Konsum. Um das Defizit zu finanzieren, sind die USA aber auf eine hohe Verschuldung und einen riesigen Strom ausländischen Kapitals angewiesen. Dadurch sind sie theoretisch anfällig: Ziehen die ausländischen Kapitalgeber, etwa aus China, ihr Geld ab, bricht die US-Wirtschaft ein.

Was sind die Ursachen des hohen deutschen Überschusses? Deutsche Maschinen oder Autos von BMW, Daimler oder Volkswagen sind beliebt in den USA. Umgekehrt gibt es nicht viele Chevrolets auf deutschen Straßen. Allerdings werden die für den US-Markt bestimmten Autos mit deutscher Marke größtenteils dort hergestellt und nicht importiert. "Made in Germany" genießt international einen hervorragenden Ruf. "Deutsche Produkte werden wegen ihrer hohen Qualität und Zuverlässigkeit gekauft - auch in den USA", sagt Achim Dercks, der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat den Euro-Kurs gegenüber dem US-Dollar gesenkt und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen gesteigert, hinzu kamen niedrige Rohstoff- und Ölpreise. Weder EZB-Zinsen noch Ölpreise kann die deutsche Politik aber beeinflussen. Die Lohnpolitik dagegen schon. Doch die Phase geringer Lohnabschlüsse ist seit etwa fünf Jahren vorbei. Davor achteten die Sozialpartner darauf, dass ihre Lohnstückkosten langsamer stiegen als die der Konkurrenz. Dadurch erzielten sie für sich Vorteile, was von den EU-Partnern kritisiert wurde.

Warum wird der deutsche Handelsüberschuss so stark kritisiert? Nicht nur Trump, auch der Internationale Währungsfonds oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron halten die Überschüsse für "nicht tragbar". Der Grund: Wer dauerhaft mehr im Ausland verkauft als einkauft, zieht Kaufkraft aus dem Ausland ab. Die Gewinne werden im Inland versteuert, die Jobs im Inland geschaffen, während sich das Ausland zunehmend verschuldet und seine Spielräume verringert.

Hat Trump also recht? Nein. Denn das Ungleichgewicht im Handel liegt in der Tat weit überwiegend an der geringeren Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft gegenüber der deutschen bei teuren Produkten wie Maschinen und Autos. Trumps Aufgabe wäre es also, die Wachstumsbedingungen für die US-Industrie zu verbessern, statt Strafzölle anzudrohen. "Die anderen müssen halt ihre Hausaufgaben machen, dann werden sie auch konkurrenzfähiger und können ihre Produkte auf dem Weltmarkt besser verkaufen. Es ist nicht unser Problem, wenn unsere Produkte attraktiver sind als viele andere", sagt Außenhandelspräsident Anton Börner.

Welche Empfehlung von anderen ist berechtigt? Die Exportüberschüsse gehen mit hohen Kapitalexporten einher: Die Deutschen legen ihr Geld mehr im Ausland als im Inland an. Wenn sie ihr Geld aber verstärkt im eigenen Land anlegen würden, würde hier auch viel mehr investiert. Dadurch würde die Inlandsnachfrage stärker - und Deutschland mehr Produkte im Ausland nachfragen. Es geht also weniger darum, bei den Exporten schwächer zu werden als bei den Importen stärker. Der Staat könnte seine Investitionen stärker hochfahren - und verbesserte Rahmenbedingungen schaffen, damit Unternehmen und Privatanleger mehr Geld im Inland investieren.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort