Gewalt eskaliert täglich Fällt Afghanistan an die Taliban zurück?

Kabul (rpo). Die Lage in Afghanistan gerät immer häufiger außer Kontrolle. In der Hauptstadt Kabul sind nach den neuesten tödlichen Unruhen Polizisten und Soldaten deutlich präsenter. Im Norden des Landes wurden am Dienstag vier Mitarbeiter einer Hilfsorganisation erschossen. Es greift die Angst um sich, das die im Jahr 2001 gestürzten Taliban auf eine Rückeroberung der Herrschaft in Afghanistan vorbereitet.

Afghanistans Weg zur Demokratie
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Foto: Alle AP

Mehrere tausend Soldaten haben am Dienstag an wichtigen Stellen der afghanischen Hauptstadt Stellung bezogen und so nach den schwersten Unruhen seit dem Sturz des Taliban-Regimes wieder für Ruhe auf den Straßen gesorgt. Ausländer, die am Montag oft Ziel der Angriffe aufgebrachter Menschen wurden, waren in der Vier-Millionen-Stadt nicht zu sehen. Zur Eindämmung der Unruhen hatte die Regierung auch ein nächtliches Ausgehverbot verhängt.

"Die Streitkräfte kontrollieren die Stadt", sagte ein Sprecher des afghanischen Verteidigungsministeriums, Sahir Asimi. "Wir haben erstmals Panzer in der Stadt. Alles ist ruhig." Ein Geschäftsinhaber, dessen Laden geplündert wurde, zeigte sich aber empört: "Wo waren alle die Sicherheitskräfte gestern? Ich habe tausende Dollar an Waren verloren", erklärte Asadullah Chelsea. Die Regierung machte Anhänger der radikalislamischen Taliban für die Unruhen verantwortlich.

Mitarbeiter von Hilfsorganisation getötet

In der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif haben Unbekannte am Dienstag vier afghanische Mitarbeiter der internationalen Hilfsorganisation Action Aid erschossen. Unbekannte haben das Auto mit drei Frauen und einem Mann darin auf dem Weg in die Provinz Dschawsdschan ins Visier genommen, sagte der örtliche Polizeichef Dschuma Chan Hamdard der Nachrichtenagentur AFP.

Karsai rief die Menschen in einer Fernsehansprache auf, sich gegen die Gewalt zu stellen. "Wir erkennen in den Menschen, die dies tun, die Feinde Afghanistans", sagte Karsai mit Bezug auf die radikalislamischen Taliban, die ihren Einfluss in jüngster Zeit wieder ausweiten konnten. "Steht auf gegen diese Agitatoren und lasst nicht zu, dass unser Land wieder zerstören." Hunderte afghanische und NATO-Soldaten bezogen in der Hauptstadt mit Panzern Stellung. Am Abend verhängte die Regierung ein Ausgehverbot für die Hauptstadt.

Die im Jahr 2001 gestürzten Taliban werden wieder stärker in Afghanistan. Am Sonntag hatte der angeblich festgenommene Taliban-Führer Mullah Dadullah dem arabischen Fernsehsender al Dschasira ein Interview gegeben. Er sagte, die Taliban verfügten überzahlreiche Truppen in Afghanistan und erhielten Unterstützung aus islamischen Ländern. Man stehe außerdem in Kontakt mit den Aufständischen im Irak. Dadullah habe gegeben, um zu beweisen, dass er am Leben und weiter auf der Flucht sei, sagten Mitarbeiter des Senders.

Die afghanischen Streitkräfte hatten am 19. Mai erklärt, es sei ein Kämpfer mit nur einem Bein festgenommen worden, bei dem es sich um Dadullah handeln könne. Der Mann sei schwer verletzt und liege bewusstlos in einem Militärkrankenhaus. Die Festnahme sei bei einer amerikanisch-afghanischen Offensive gegen Taliban-Kämpfer in der Provinz Kandahar erfolgt. Dadullah hatte Mitte der 90er ein Bein verloren, als er an der Seite der Taliban kämpfte, die bis zu ihrem Sturz Ende 2001 ein radikalislamisches Regime in Afghanistan errichteten.

Seit dem Sturz der radikalislamischen Taliban bekämpfen ihre Anhänger die afghanische Regierung und die mittlerweile rund 30.000 ausländischen Soldaten im Land. Die Zahl der Gefechte nimmt regelmäßig im Frühling zu; dieses Jahr sind sie allerdings besonders heftig. Einige Beobachter führen dies auf eine bessere Organisation der Aufständischen zurück.

Trotz der verstärkten Streife waren am Dienstag weniger Menschen als sonst auf den Straßen Kabuls unterwegs, viele Geschäfte hatten ihre Läden heruntergelassen und blieben geschlossen. Es kursierten Gerüchte, dass im Laufe des Tages weitere Protestkundgebungen zu erwarten seien; die Lage schien nach einer nächtlichen Ausgangssperre aber ruhig. Ein Mitarbeiter einer US-Firma in Kabul sagte, er sei morgens kurz ins Büro gegangen, um Geld zu holen, "falls wir hier überstürzt wegmüssen".

Unruhen begannen nach Verkehrsunfall

Am Montag waren mehr als tausend Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die USA und ihre Soldaten in Afghanistan zu protestieren; dabei starben mindestens 14 Menschen. Die Demonstranten setzten ein Büro der Hilfsorganisation Care International in Brand und plünderten die Räume von weiteren Hilfsorganisationen.

Begonnen hatten die Unruhen mit einem tödlichen Verkehrsunfall im Norden der Stadt, den offenbar die US-Armee verursacht hatte. Bei den Protesten wurden Geschäfte geplündert und Polizeiautos in Brand gesteckt. Hunderte aufgebrachte Afghanen zogen zum Palast von Präsident Hamid Karsai und skandierten: "Tod Karsai! Tod Amerika!". Diese verurteilte die Proteste und nannte die Demonstranten Agitatoren.

(afp2)
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