Explosion erschüttert libanesische Hauptstadt Mindestens 100 Tote und Tausende Verletzte in Beirut

Beirut · Bei einer gewaltigen Explosion wurden in der libanesischen Hauptstadt Beirut zahlreiche Menschen getötet oder verletzt. Vieles deutet darauf hin, dass im Hafen beschlagnahmter Sprengstoff explodiert sein könnte.

Beirut: Starke Explosion erschüttert Hauptstadt des Libanon - Fotos
13 Bilder

Starke Explosion erschüttert libanesische Hauptstadt Beirut

13 Bilder
Foto: dpa/Hassan Ammar

Bei der Explosion in Beirut sind am Dienstag nach offiziellen Angaben mindestens 100 Menschen getötet worden. Mehr als 4000 weitere Menschen seien verletzt worden, teilte die Organisation am Mittwoch mit. "Unsere Teams setzen die Such- und Rettungsaktivitäten in den umliegenden Gegenden fort." Das Gesundheitsministerium hatte die Zahl der Todesopfer zuletzt mit 78 angegeben und von knapp 4000 Verletzten gesprochen.

Am Abend durchsuchten Rettungskräfte Trümmer im Hafen der libanesischen Hauptstadt, von wo aus die Detonation bis Zypern zu hören und zu spüren war. Dem Deutschen Geoforschungszentrum GFZ zufolge waren die Erschütterungen mit einem Erdbeben der Stärke 3,5 vergleichbar.

Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es am Dienstag nicht. Eine sehr große Menge Ammoniumnitrat könnte nach Einschätzung des libanesischen Ministerpräsidenten Hassan Diab die Detonation in Beirut verursacht haben. Es sei „unvertretbar“, dass eine Ladung von schätzungsweise 2750 Tonnen der Substanz in einer Halle am Hafen gelagert worden sei, sagte Diab in der Nacht zum Mittwoch dem Präsidialamt zufolge. Der Stoff sei dort sechs Jahre lang ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagert worden.

Zuvor hatte es bereits entsprechende Spekulationen gegeben. Berichten zufolge hatten libanesische Behörden im Jahr 2013 einem Frachtschiff die Weiterfahrt wegen verschiedener Mängel untersagt, das von Georgien ins südafrikanische Mosambik unterwegs war. Der Besatzung gingen Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff dann offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.

Die Zersetzung des Stoffs, der auch zur Herstellung von Sprengsätzen dienen kann, führt bei höheren Temperaturen zu Detonationen. Ammoniumnitrat dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Düngemittelherstellung. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Stadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz.

Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Straßen waren voller Glasscherben. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Großraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur „Katastrophen-Stadt“ erklärt.

Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. „Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe“, sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Ministerpräsident Hassan Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer.

Durch die Detonationen wurde auch ein Schiff der Vereinten Nationen beschädigt: Blauhelmsoldaten der UN-Mission im Libanon (UNIFIL) seien verletzt worden, einige von ihnen schwer, hieß es in einer UN-Erklärung. Der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri wurden am Dienstag ebenfalls beschädigt. Augenzeugen sprachen von Leichen auf den Straßen und Menschen, die unter Trümmern verborgen seien. Die Armee half, Verletzte in Krankenhäuser zu bringen.

Auch mehrere Krankenhäuser der Stadt wurden beschädigt. Die Rum-Klinik musste deshalb Patienten verlegen und bat die Bevölkerung um Generatoren für eine stabile Stromversorgung. Vor dem Krankenhaus der Universität St. Georg wurden Dutzende Menschen im Freien versorgt. Das Krankenhaus war von der Explosion im Inneren stark beschädigt worden, der Strom fiel aus.

Sämtliche Krankenhäuser in Beirut waren überfüllt; Verletzte wurden auch in Kliniken außerhalb der Stadt gebracht. Die Bevölkerung wurde zu Blutspenden aufgerufen. Hubschrauber des Heeres halfen bei der Bekämpfung der Flammen im Hafen, Einsatzkräfte aus dem gesamten Land eilten nach Beirut. Von arabischen und anderen befreundeten Staaten seien Hilfsangebote eingetroffen, sagte Minister Hamad.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert über die Explosion in Beirut. „Unsere Gedanken sind bei denen, die Angehörige verloren haben. Den Verletzten wünschen wir eine schnelle Genesung“, zitierte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Dienstag die Kanzlerin bei Twitter. „Wir werden dem Libanon unsere Unterstützung anbieten.“

Das Auswärtige Amt schrieb bei Twitter, auch Mitarbeiter der Botschaft in Beirut seien unter den Verletzten. Angesichts der starken Schäden im Stadtgebiet schließt das Auswärtige Amt nicht aus, dass noch weitere deutsche Staatsangehörige unter den Todesopfern und Verletzten sind. Deutschland stehe dem Libanon in der „schweren Stunde zur Seite“, twitterte Außenminister Heiko Maas. Auch die Europäische Union, die USA und Frankreich - frühere Mandatsmacht des Libanon - stellten Unterstützung in Aussicht.

 Menschen evakuieren Verwundete nach einer Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Menschen evakuieren Verwundete nach einer Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Foto: dpa/Hassan Ammar

Selbst Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle „medizinische humanitäre Hilfe“ an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Spekulationen, dass Israel hinter der Explosion stecken könnte, räumte Außenminister Gabi Aschkenasi aus. Auch US-Präsident Trump wurde über die Situation unterrichtet.

(peng/mja/özi/dpa/Reuters/AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort