Afghanistan und Kongo Experten vermissen Konzept bei Bundeswehreinsätzen im Ausland

Leipzig/Osnabrück (rpo). Die Bundeswehr hat die Politik aufgefordert, eine durchdachtere Strategie für Auslandseinsätze des Militärs zu entwickeln. Der Einsatz in Afghanistan könne in Zukunft noch gefährlicher werden, wenn die Aufgabenverteilung zwischen den Nationen nicht optimiert werde. Und auch von einem Kongo-Einsatz, wie er bisher geplant ist, versprechen sich Experten nicht viel.

Die Politik habe trotz des hohen Risikos in Afghanistan kein schlüssiges Konzept, kritisierte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, am Mittwoch.

Gertz sagte, in Afghanistan funktioniere die Aufgabenverteilung zwischen den Nationen nicht richtig. "Notwendige Aufgaben, wie die Drogenbekämpfung, werden eher links liegen gelassen. Insgesamt verfehlen wir das Ziel, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern", sagte er. Daraus ergäben sich Rückwirkungen auf die Sicherheit der deutschen Soldaten, die Anlass zur Sorge gäben.

Außerdem könne es Motivationsprobleme geben, sagte Gertz. "Bislang wussten wir, 99 Prozent der Bevölkerung stehen hinter unseren Soldaten. Das trifft heute nicht mehr zu. Die Bevölkerung ist müde geworden. Es wird auch nicht mehr differenziert zwischen Amerikanern und Europäern", sagte er.

Der Terrorismus-Experte Rolf Tophoven sagte, die Taliban und das Terrornetzwerk Al-Qaida beabsichtigten einen "langen Marsch auf Kabul" zum Sturz des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Er warnte die politischen und militärischen Verantwortlichen davor, die Gefahr zu verharmlosen.

"Die Strategie der Islamisten zur Irakisierung Afghanistans ist trotz aller Dementis seit längerem im Gange", erklärte der Leiter des Essener Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. "Auch die Deutschen Soldaten im Norden werden sich auf größere Verluste einstellen müssen, wenn der Süden weiter unter die Kontrolle der Islamisten gerät."

Westliche und pakistanische Geheimdienste hätten gesicherte Erkenntnisse darüber, dass der untergetauchte Talibanführer Mullah Omar im pakistanischen Grenzgebiet im vergangenen Herbst rund 40.000 Kämpfer rekrutiert habe, die unter dem Oberkommando des Mudschaheddinführers Jalaluddin Haqqani stünden, einem ehemaligen Verbündeten der USA, sagte Tophoven.

Im Februar seien ferner 100 Selbstmordkommandos aufgestellt worden. Zudem hätten die Ende 2001 gestürzten Taliban wieder die Kontrolle über große Teile der Süd- und Ostprovinzen erlangt, in denen Kopfgelder auf Ausländer und afghanische "Verräter" ausgesetzt seien.

"Islamisten haben einen langen Atem"

In Kabul und anderen Städten unterhielten sie zahlreiche Terrorzellen und landesweit ein Netz von Beobachtern, sagte Tophoven. Hinzu kämen hunderte arabische Dschihad-Kämpfer sowie rund 500 Afghanen, die im Irak in der Guerillataktik des dortigen Al-Quaida-Führers Abu Mussab al Sarkawi gedrillt worden seien. "Die Islamisten denken sehr langfristig und haben einen langen Atem. Darauf muss sich der Westen vorbereiten", sagte Tophoven.

Gertz kritisierte auch den geplanten Kongo-Einsatz der Bundeswehr und sprach von "politischem Showbusiness mit militärischen Mitteln". Zwar gebe es eine europäische Afrikastrategie. "Sie wird nur nicht konsequent umgesetzt. Wir erzählen unseren Bürgern und den Menschen im Kongo, wir kämen besuchsweise für vier Monate, machen uns dann wieder aus dem Staub und trotzdem sei alles gut", kritisierte Gertz. Dabei müsse der Kongo als zentraler Ankerpunkt für eine Stabilisierung Afrikas genutzt werden.

Die Durchführung eines Wahlgangs mache aus Präsident Joseph Kabila aber noch keinen Demokraten. "Wir setzen unsere Soldaten einem Risiko aus, können ihnen aber nicht glaubwürdig vermitteln, dass der Einsatz Sinn macht", monierte Gertz.

(afp2)
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