Streit um Sicherheitsgesetz EU verzichtet auf Sanktionen gegen China

Brüssel/Peking · Die Europäer können sich trotz des chinesischen Verstoßes gegen internationales Recht nicht zu konkreten Maßnahmen gegen Peking durchringen. Auch am EU-China-Gipfel im Herbst soll offenbar festgehalten werden.

 Straßenkämpfe in Hongkong: Polizisten feuern Tränengas auf Demonstranten.

Straßenkämpfe in Hongkong: Polizisten feuern Tränengas auf Demonstranten.

Foto: dpa/Willie Siau

Die EU verurteilt das von China vorangetriebene Sicherheitsgesetz für Hongkong, erwägt im Unterschied zu den USA allerdings keine Sanktionen. Bei Beratungen der EU-Außenminister am Freitag habe nur ein einziges Mitgliedsland das Thema Strafmaßnahmen angesprochen, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit. In einer Erklärung äußerte sich die EU zugleich tief besorgt über das Vorgehen der Volksrepublik. Es stehe nicht in Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Chinas und dem Grundgesetz Hongkongs.

„Es gibt vieles, über das wir mit China sprechen wollen und sprechen müssen“, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD). Der für September geplante EU-China-Gipfel sei dafür eine gute Gelegenheit. Borrell betonte, man müsse die Werte der EU bewahren, aber gleichzeitig die wirtschaftlichen Interessen verteidigen. Welcher EU-Staat sich Sanktionen vorstellen könnte, sagte er nicht. Es soll sich um Schweden handeln.

Chinas Volkskongress hatte am Donnerstag die Pläne für das umstrittene Sicherheitsgesetz in Hongkong gebilligt. Das „Ende Hongkongs“ nennen Kritiker das Vorhaben der Kommunistischen Partei, sämtliche „subversive“ und „separatistische“ Aktivitäten unter Strafe zu stellen – notfalls auch mit eigenen Sicherheitskräften.

Als einziges Land hatten die USA am Vorabend der Abstimmung des Volkskongresses eine glaubwürdige Drohkulisse aufgebaut: Außenminister Mike Pompeo sprach davon, Hongkong seinen bisherigen Status als bevorzugter Handelspartner zu entziehen, da die einstige britische Kolonie „sein hohes Maß an Autonomie von China“ verloren habe. Als nächsten Schritt könnte Präsident Donald Trump nun etwa dieselben Strafzölle gegen Hongkong verhängen, wie sie auch für Festlandchina gelten.

Joshua Wong, internationales Gesicht der Protestbewegung, bezeichnete wirtschaftliche Strafen auf seinem Twitter-Account als „sinnvollsten Schritt“, um die Hongkonger Autonomie zu sichern. Dass vor allem Durchschnittsbürger ökonomisch unter dem Konflikt leiden würden, nimmt das pro-demokratische Lager dabei in Kauf. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Demonstranten mit Straßenblockaden zur Pendlerzeit gezielt die Wirtschaft der Stadt angegriffen, um den Druck auf Festlandchina zu erhöhen. Peking hängt nämlich nach wie vor von Hongkong als internationalem Finanzstandort ab.

Die Kommunistische Partei wird dies jedoch kaum einschüchtern. Auf „Einmischungen in innere Angelegenheiten“ reagiert Peking schließlich hochallergisch. Der am Donnerstag zu Ende gegangene Volkskongress hatte nämlich vor allem eine Botschaft an die Welt: Die Volksrepublik China werde künftig seine nationalen Interessen selbstbewusster verfolgen. Die konkreten Inhalte des nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong sind allerdings bislang noch immer unbekannt – etwa, wie die vage formulierten Strafbestände wie „Aktivitäten ausländischer Kräfte zur Einmischung in Hongkonger Angelegenheiten“ tatsächlich definiert werden. Zunächst muss das Gesetzesvorhaben nun vom Ständigen Ausschuss des Volkskongress entworfen werden. Dies kann, so berichtete das Propagandaorgan „Global Times“, durchaus ein halbes Jahr dauern. Dann jedoch sollte die Umsetzung schnell über die Bühne gehen, denn durch ein Schlupfloch in der Hongkonger Verfassung kann Peking die normalerweise benötigte Zustimmung des Legislativrats der Sonderverwaltungszone umgehen.

Für die Hongkonger Zivilgesellschaft würde dies einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Die Kommunistische Partei könnte künftig regelmäßig versuchen, Gesetze am Hongkonger Parlament vorbei zu schleusen. Durch eigene Sicherheitskräfte vor Ort, die das nationale Sicherheitsgesetz erlauben soll, entstünde zudem die Gefahr, dass verhaftete Aktivisten möglicherweise nach Festlandchina verschleppt würden.

All dies würde einen Bruch des chinesisch-britischen Übergabevertrags bedeuten, den Margaret Thatcher und Deng Xiaoping am 19. Dezember 1984 unterzeichnet hatten. Dieser sieht vor, dass die einstige Kolonie bis zum Jahr 2047 weitreichende Autonomie genießt und sich selbst regiert. mit Material von dpa

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