Gewalt in Nahost EU ringt sich zu einem lauen Statement durch

Brüssel · Während in Israel und dem Gazastreifen Raketen Menschen töten und ein Bodenkrieg droht, bemüht sich Europas Außenbeauftragte Catherine Ashton um Ausgewogenheit. Sie verfolge die Eskalation der Gewalt in Nahost mit "schwerer Besorgnis", ließ sie ihren Sprecher mitteilen.

Catherine Ashton - streitlustige Adlige
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"Die EU verurteilt das willkürliche Feuer auf Israel durch militante Gruppen im Gazastreifen scharf", kritisierte diese angesichts der jüngsten Raketenangriffe radikaler Palästinenser. Doch auch die wachsende Anzahl ziviler Opfer, insbesondere Kinder, durch israelisches Gegenfeuer missbilligte die EU. Alle Seiten müssten "äußerste Zurückhaltung" walten lassen und alles an eine sofortige Waffenruhe setzen.

Für israelischen Geschmack dürfte das Statement wohl zu weich sein. Auch nach dem Mord an den drei entführten israelischen Jugendlichen in der West Bank hatte die EU später als andere den "barbarischen Akt" verurteilt. Die Ermordung der jüdischen Teenager und der darauf folgende mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jugendlichen in der vergangenen Woche lösten den jetzigen Kreislauf der Gewalt aus.

Delikates Verhältnis zwischen EU und Israel

Das Verhältnis zwischen der EU und Israel ist delikat. Die EU spricht sich für eine Zwei-Staaten-Lösung aus, Catherine Ashton bemüht sich im Nahost-Quartett für die Europäer um Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Sie schaffte die Stelle des Nahost-Sonderbeauftragten in ihrem diplomatischen Dienst ab, um selber mehr Zugriff auf das strittige Dossier zu haben.

Unter den EU-Staaten und in Brüssel nimmt die Kritik am Siedlungsbau der Israelis auf dem Gebiet, das die Palästinenser für ihren Staat beanspruchen, zu. Erst Anfang Juni hatte die israelische Regierung als Antwort auf die Einheitsregierung aus Hamas und Fatah die Planung für weitere 1500 Wohnungen angekündigt. Dies sei die "passende zionistische Antwort auf die Bildung einer palästinensischen Terrorregierung".

Für einen Eklat sorgte im Februar die Rede von Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) in der Knesset, als er die Wasserknappheit bei den Palästinensern kritisierte. Danach flammte wieder die Debatte um einen möglichen europäischen Boykott israelischer Waren aus dem Westjordanland auf.

"Wenn es eine Sache gibt, für die die Welt kein Verständnis hat, dann sind es Siedlungen", gab selbst Israels Justizministerin Tzipi Livni zu. Der Friedensprozess sei "das Einzige, was eine Welle neuer Boykottmaßnahmen aufhält", warnte sie vor Monaten.

Keine Mehrheit für einen echten Boykott

Für einen richtigen Boykott wird es unter den EU-Staaten in absehbarer Zeit keine Mehrheit geben. Doch die Europäer verfolgten ihre seit Langem formulierten Positionen zum illegalen Siedlungsbau zuletzt mit mehr Konsequenz. Ein erster Schritt war die EU-Leitlinie vom vergangenen Sommer, die bei Kooperationsabkommen eine Förderung von Siedlungen ausschließt.

Der nächste Schritt könnte eine Pflicht zur Kennzeichnung von Waren sein, die aus den Siedlungen auf den europäischen Markt kommen. Die EU-Außenbeauftragte Ashton arbeitet an einem Regelwerk, um Produkte aus den besetzten Gebieten europaweit zu kennzeichnen. Der Kunde kann so entscheiden, ob er mit seinem Kauf den Siedlungsbau unterstützen will oder nicht. Einige EU-Länder wie Großbritannien und Dänemark etwa kennzeichnen sie bereits.

Die Güter genießen im Gegensatz zu Produkten "Made in Israel" keine Zollfreiheit. Auch immer mehr Firmen machen den Israelis Auflagen. Der holländische Rentenfonds PGGM, einer der größten weltweit, stellte jüngst die Kooperation mit fünf israelischen Banken ein, weil diese den Siedlungsbau finanzieren und Zweigstellen in den besetzten Gebieten haben.

Produkte, die in den Siedlungen hergestellt werden, machen zwei Prozent des israelischen Bruttosozialprodukts aus. Sollten auch Firmen boykottiert werden, die in den besetzten Gebieten geschäftlich tätig sind, wären die wirtschaftlichen Konsequenzen deutlich größer. Nach Angaben der Regierung würden 10.000 Israelis sofort arbeitslos, die Exporte gingen um 4,3 Milliarden Euro zurück, das Bruttosozialprodukt um 2,4 Milliarden Euro. Die EU ist mit einem Handelsvolumen von gut 35 Milliarden Dollar Israels wichtigster Handelspartner.

Nach Zetern und Zögern unterschrieb Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Forschungsförderprogramm "Horizon 2020" mit der EU. Er erkannte damit zähneknirschend die neuen Regeln an, wonach ab diesem Jahr Fördermittel, Darlehen oder Preise nur noch an solche israelischen Projekte vergeben werden, die keinerlei Verbindung in die besetzten Gebieten haben. Das betrifft auch Ostjerusalem und die Golanhöhen.

(RP)
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