EU-Austritt Großbritanniens Tusk will Brexit ohne Vertrag verhindern

London · Der britische Premier Johnson unternimmt einen zweiten Anlauf, sein Brexit-Gesetz durch das Parlament zu bringen. Fraglich ist, ob er am Dienstag eine Mehrheit dafür bekommt. EU-Ratspräsident Tusk will alles tun, um einen Austritt ohne Vertrag zu verhindern.

 Donald Tusk im Europäischen Parlament während der Aussprache über das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs.

Donald Tusk im Europäischen Parlament während der Aussprache über das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs.

Foto: dpa/Philipp von Ditfurth

„Ein No-Deal-Brexit wird niemals unsere Entscheidung sein“, sagte Tusk am Dienstag im Europaparlament in Straßburg. Das habe er dem britischen Premierminister Boris Johnson am Wochenende auch gesagt. Wie die EU über eine erneute Verschiebung des Brexit-Termins um drei Monate entscheiden werde, sagte Tusk, „wird sehr davon abhängen, was das britische Parlament beschließt oder nicht beschließt.“

Der britische Premierminister Boris Johnson stellte am Dienstag sein Brexit-Gesetzespaket zur Abstimmung - es ist sein zweiter Versuch, den Scheidungsvertrag noch rechtzeitig für ein Ausscheiden zum 31. Oktober in einem Unterhaus durch zu bekommen, in dem seine konservative Partei keine Mehrheit mehr hat.

Am Montagabend legte seine Regierung den 115 Seiten starken Entwurf vor. Stunden davor hatte er eine neuerliche Niederlage im Unterhaus einstecken müssen: Parlamentspräsident John Bercow ließ eine zweite Abstimmung über das mit der EU verhandelte Scheidungsabkommen nicht zu. Im Kern strebe die Regierung dasselbe Votum wie am Samstag an und verstoße damit gegen die Richtlinien des Parlaments, erklärte Bercow. Denn die sehen vor, dass dasselbe Gesetz nicht zweimal zur Abstimmung gebracht werden kann, es sei denn, es werden wesentliche Änderungen daran vorgenommen.

Analysten sahen durchaus Chancen, dass das Unterhaus Johnsons Brexit-Paket am Dienstag zustimmt. Zunächst steht die Abstimmung an, ob das Abkommen grundsätzlich gebilligt wird. Dann eine zweite, in der es um den Zeitplan der Regierung und mögliche Änderungen geht.

Skeptisch waren Analysten, ob sich das Unterhaus dem Zeitdruck beugt, um den Austrittstermin in acht Tagen zu halten. Ein aus der Konservativen Partei wegen seiner Haltung zu Johnsons Brexit-Kurs ausgeschlossener Abgeordneter, Kenneth Clarke, sagte der Zeitung „Guardian“: „Solange sie nicht bereit zu einer ausführlicheren Debatte sind, gibt es nicht die geringste Möglichkeit, den Deal, der erreicht wurde, in der verfügbaren Zeit in Erwägung zu ziehen.“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte sehr deutlich, was er von der politischen Debatte in London hält: Angesichts dessen sei die in Brüssel dem Brexit anstelle von EU-Politik gewidmete Arbeit „eine Zeit- und Energieverschwendung“.

Erst am Wochenende hatte das Unterhaus in einer Sondersitzung eine Entscheidung über Johnsons Deal mit der EU vertagt und ihm damit eine Schlappe zugefügt. Stattdessen votierten die Abgeordneten dafür, ihre Zustimmung von der Verabschiedung des Gesetzes abhängig zu machen, das die Umsetzung des Scheidungspakts regelt. Genau dies will Johnsons Regierung nun mit der Abstimmung zum Ratifizierungsgesetz versuchen.

Es dauert in der Regel Wochen, bis ein Gesetz verabschiedet wird. Doch Johnsons Regierung will den Prozess in zehn Tagen durchziehen. Johnsons Konservative halten im Unterhaus nur 288 der 650 Sitze.

Und der Prozess ermöglicht es Abgeordneten, Änderungsanträge am Ratifizierungsgesetz einzubringen. So könnten sie eine Maßgabe verankern, dass es ein neues Referendum zum Brexit-Deal geben sollte. Für diesen Fall drohte die Regierung damit, das Gesetz dann ganz zurückzuziehen, da ein solcher Änderungsantrag ihren Pakt zerstören würde.

Unter den Staats- und Regierungschefs der 27 anderen EU-Länder macht sich zwar zunehmend Überdruss über das Brexit-Drama breit, doch gibt es Bereitschaft für einen Aufschub, um einen für beide Seiten schädlichen Chaos-Brexit zu vermeiden.

(vek/AP/dpa)
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