Streit um Verfassung EU-Gipfel: Polen bleibt hartnäckig

Brüssel (rpo). Ob es beim EU-Gipfel in Brüssel zu einer Einigung kommt ist noch mehr als fraglich: Die Verhandlungen über eine europäische Verfassung stehen auf des Messers Schneide; am Freitag zeichnete sich noch keine Einigung ab.

<P>Brüssel (rpo). Ob es beim EU-Gipfel in Brüssel zu einer Einigung kommt ist noch mehr als fraglich: Die Verhandlungen über eine europäische Verfassung stehen auf des Messers Schneide; am Freitag zeichnete sich noch keine Einigung ab.

Besonders Polen zeigte sich weiterhin hartnäckig, die im Verfassungskonvent vorgesehene doppelte Mehrheit bei der Stimmengewichtung zu akzeptieren. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte: "Wir wollen eine Verfassung, aber diese Verfassung muss Substanz haben."

Der spanische Ministerpräsident Jose Maria Aznar signalisierte allerdings Kompromissbereitschaft und forderte dafür einen akzeptablen Vorschlag ein. "Wir glauben, dass die Vereinbarung von Nizza das Beste ist für die EU", sagte Aznar. "Wir sind aber bereit, andere Vorschläge zu studieren." Bislang seien ihm aber noch keine Vorschläge gemacht worden. Auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer sagte zu, dass die Bundesregierung neue Kompromissvorschläge "vorurteilsfrei prüfen" werde. Allerdings müssten diese Vorschläge auf dem Text des EU-Verfassungskonvents basieren.

Fischer bekräftigte, dass die umstrittene doppelte Mehrheit bei der Stimmengewichtung der Mitgliedstaaten für die Bundesregierung die "zentrale Frage" sei. Dies gelte auch für die künftige Größe der EU-Kommission. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac betonte: "Frankreich wird kein entstelltes Ergebnis akzeptieren." Eine Einigung müsse "so nah wie möglich am Entwurf des Konvents" liegen.

Am Nachmittag nahmen die Chefs der bald 25 EU-Staaten zunächst in bilateralen Gesprächen die Verhandlungen über die Verfassung offiziell auf. Ein Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft war aber bis zum Abend nicht absehbar. Aus britischen Regierungskreisen verlautete, die Verhandlungen würden voraussichtlich am späteren Abend unterbrochen und am Samstag fortgesetzt.

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi schloss Nachverhandlungen über die Hauptstreitpunkte 2004 nicht aus. In der besonders strittigen Frage der Stimmengewichtung stehen sich Frankreich und Deutschland auf der einen Seite sowie Polen und Spanien auf der anderen Seite gegenüber. Polen und Spanien wollen an dem in Nizza vereinbarten Abstimmungsmodus festhalten, der ihnen Vorteile verschafft. Deutschland und Frankreich treten für die Einführung der doppelten Mehrheit ein, bei der die Größe der Bevölkerung eines Mitgliedslandes mit ins Gewicht fällt. Dies sieht auch der Verfassungsentwurf des EU-Konvents vor.

Brok rechnet mit Isolierung Polens

Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller betonte am Abend: "Polen ist ein stolzes Land, es kämpft nicht nur für sich selbst, sondern für alle kleineren und mittelgroßen Länder." Der Luxemburger Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sagte, Miller habe im Kreis der Chefs keine Signale zur Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Miller war am Nachmittag trotz seiner Verletzungen nach einer Bruchlandung seines Hubschraubers vor einigen Tagen in Brüssel eingetroffen.

Der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz forderte von Deutschland mehr Bewegung: "Ich denke, wir haben gute Gründe, von unseren deutschen Freunden mehr Flexibilität zu erwarten." Andere EU-Staaten müssten verstehen, dass Polen eine rote Linie habe, die es nicht überschreiten könne.

Der Europa-Abgeordnete Elmar Brok rechnet nach eigenen Worten mit einer Isolierung Polens. Er gehe davon aus, "dass die Spanier offen sind am Ende des Tages". Andererseits wisse niemand, "wie man argumentativ an die Polen herankommt".

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