Kommentar zum EU-Gipfel Junckers Mogelpackung

Meinung | Brüssel · In rekordverdächtiger Zeit ist der jüngste EU-Gipfel zu Ende gegangen. Offenbar waren die Staats- und Regierungschefs in Gedanken bereits im Weihnachtsurlaub, der ihnen ja zu gönnen ist. Doch die wirtschaftspolitischen Beschlüsse, die sie getroffen haben, sind nicht sonderlich gelungen.

 Das Programm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker enthält etliche Hoffnungswerte.

Das Programm von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker enthält etliche Hoffnungswerte.

Foto: ap, CL LR

Das Programm des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker kommt mit einem Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro großspurig daher. Man hat fast den Eindruck, als könnte die EU damit den Wirtschaftsmotor wieder anwerfen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das Programm als Scheinriese und wenig effektiv.

Es fängt schon damit an, dass alle Länder einen Eigenbeitrag leisten müssen. Dazu kommen Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB) und des EU-Haushalts. Schon bei den Eigenbeiträgen werden viele hochverschuldeten Länder überfordert sein. Deshalb werden sich eher die reicheren Länder die Projekte leisten können. Die haben sie aber nicht nötig. In Deutschland, aber auch Ländern wie Schweden, Niederlande, Polen oder Belgien, läuft die Konjunktur ganz ordentlich. Die brauchen keine Anschubfinanzierung von der EU. Das Geld wird also fehlgeleitet.

Dann sind etliche Hoffnungswerte im Programm enthalten. Denn die EU-Mittel sind nur ein Bruchteil des gesamten Investitionsvolumens. Der Rest soll über einen Hebel von den privaten Unternehmen kommen. Das EU-Projekt wäre dann nur Initialzündung, die privaten Investitionen die Folge. Das ist reines Wunschdenken. Was ist, wenn die Unternehmen nicht an den Erfolg des Projekts glauben. Dann ist der Hebel genau eins — nur die EU-Mittel werden investiv ausgegeben, das Programm verpufft. Gleichzeitig steigt die Verschuldung in den Ländern und bei der EIB. Dem EU-Haushalt fehlen die Mittel für andere Projekte.

Aber selbst wenn die Privaten anbeißen, ist noch längst nicht gesagt, dass das Programm von Dauer ist. Fließen die Mittel nicht mehr, weil kein Geld für ein Folgeprojekt vorhanden ist, dann dreht sich der Hebel in die andere Richtung. Dann sinkt die Investitionsnachfrage, die zuerst so groß war, wieder auf Null. Weitere Schwankungen der Konjunktur sind die Folgen. Es könnte auch gut sein, dass das Investitionsprogramm erst wirksam wird, wenn die Konjunktur wieder anspringt. Dann hätte man sich damit Inflation und Überhitzung eingehandelt.

Schließlich könnte die von der EU angeschobenen Investitionen andere, womöglich rein private, verdrängen. Der Effekt auf die gesamte Wirtschaftsleistung wäre wiederum Null. Allerdings hängt jetzt die zum Teil schwerfällige EU-Bürokratie drin. Ob das immer so förderlich ist, mag dahin gestellt sein.

Die Spitzen der EU hätten sich vielleicht doch etwas mehr Zeit für das Programm nehmen sollen. Vor Weihnachten musste es sicher nicht mit aller Macht erledigt werden. So könnte am Ende die große Enttäuschung stehen. Und die betroffenen Länder hätten mehr statt weniger Schulden, mehr statt weniger Arbeitslosigkeit.

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