Volksfeste in Hauptstädten und an den Grenzen EU-Erweiterung: Ein Kontinent feiert

Frankfurt/Main (rpo). Jetzt ist es offiziell. Die EU hat die größte Erweiterung ihrer Geschichte vollzogen. Und obwohl viele am Anfang sehr skeptisch waren, feierten Zehntausende in den Hauptstädten das historische Ereignis mit Konzerten und riesigen Feuerwerken.

Die Erweiterung trat am Samstag um 00.00 Uhr in Kraft. Maßgeblich für den Zeitpunkt war die Mitteleuropäische Sommerzeit in Rom, da dort die EU-Verträge hinterlegt sind.

Weltweit wurde die Erweiterung als historische Zäsur in der Geschichte Europas gewürdigt. An der Grenzbrücke zwischen Frankfurt/Oder und dem polnischen Slubice reichten sich Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) und der polnische Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz um Mitternacht symbolisch die Hände. Vor zehntausenden Besuchern aus Polen und Deutschland erinnerte Fischer an die leidvolle Geschichte der beiden Nachbarn: Die Generation der Großväter habe zwischen Deutschland und Polen noch große Tragödien durchlitten. Die heutige Generation erlebe, dass jetzt das geeinte Europa entstehe.

Auch EU-Kommissionspräsident Romano Prodi beging den Beitritt bei einem Besuch an einer früheren EU-Außengrenze. In der italienisch-slowenischen Stadt Gorizia/Nova Gorica hieß er die neuen Bürger willkommen und kündigte ein weiteres Zusammenrücken des Kontinents an. Diese Erweiterung sei "die größte in der Geschichte der Union, und ich bin überzeugt, dass sie nicht die letzte sein wird."

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Ministerpräsidenten von Tschechien und Polen, Vladimir Spidla und Leszek Miller, begingen am Samstagmittag bei einem Treffen im Dreiländereck die Erweiterung. Schröder würdigte die "symbolische Bedeutung" des Treffens. Miller bezeichnete die Erweiterung als "die Erfüllung eines großen polnischen Traums". In Zittau hissten die drei Regierungschefs die Europaflagge.

Mit symbolträchtigen Veranstaltungen begrüßten die neuen Mitglieder die Union. In Litauen schalteten viele Bürger in der Beitrittsnacht alle Lichter ein, um das Land auf Satellitenbildern als hellstes Mitglied erscheinen zu lassen. Die Esten begannen, eine Million Bäume zu pflanzen. Die ungarische Bahn bot ihren Gästen am Samstag kostenlose Reisen nach Österreich an.

Das kleinste Beitrittsland Malta zündete das größte Feuerwerk: Hunderttausend Menschen, jeder vierte Einwohner, bewunderten das Spektakel des deutschen "Lichtarchitekten" Gert Hof. Im lettischen Riga stimmten Regierung und 30.000 Menschen um Mitternacht Volkslieder an. In Warschau hisste der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski die EU-Fahne am Grab des unbekannten Soldaten.

Die drei Balten-Staaten feierten ihren Beitritt ebenso wie Zypern wegen der Zeitverschiebung schon eine Stunde vor der offiziellen Aufnahme. In der zyprischen Hauptstadt bejubelten 30.000 Zyperngriechen den Beitritt, während der türkisch dominierte Nordteil nach dem Scheitern des Vereinigungsreferendums in der Woche zuvor außen vor blieb.

In Dublin trotzten tausende Iren in der Nacht dem schlechten Wetter und verfolgten ein Feuerwerk, das von 25 Schiffen abgeschossen wurde - für jedes EU-Land ein Schiff. Unter dem Schutz von knapp 8000 Sicherheitsbeamten wollten die EU-Chefs ab 18.20 Uhr (MESZ) die Erweiterung in Dublin würdigen, da Irland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. In den übrigen Hauptstädten der alten Mitglieder fielen die Feierlichkeiten bescheidener aus. In Berlin gab es ein Volksfest um das Brandenburger Tor.

Der amtierende Ratspräsident, Irlands Prenierminister Bertie Ahern, sagte am Samstag in Dublin: "Der heutige Tag markiert den Triumph unserer Entschlossenheit und Beharrlichkeit über das Erbe der Geschichte." Neu zur EU gestoßen sind die mediterranen Inselstaaten Malta und Zypern sowie die exkommunistischen Länder Polen, Tschechien, Ungarn, die Slowakei, Estland, Lettland, Litauen und Slowenien. Mit den 75 Millionen Neubürgern zählt die Union nun 450 Millionen Menschen, sie ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Erde.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort