Bürgerkrieg in Libyen EU einigt sich auf Sanktionen gegen Gaddafi

Brüssel/Tripolis (RPO). 2000 Tote - das ist die vorläufige Bilanz der blutigen Unruhen in Libyen. Doch Hilfe von außen lässt noch immer auf sich warten, auch durch die EU. Die Mitglieder der Union haben sich nun auf ein Maßnahmenpaket gegen das herrschende Regime unter Muammar al Gaddafi geeinigt. Unterdessen hat sich die libysche UN-Vertretung von dem Gaddafi-Regime losgesagt.

Welche Sanktionen gegen Libyen im Gespräch sind
Infos

Welche Sanktionen gegen Libyen im Gespräch sind

Infos
Foto: dapd

Die EU und ihre Außenbeauftragte agierten bisher zögerlich - wie schon zuvor bei Tunesien und Ägypten. Dabei erfordert die Lage vor Ort rasches Handeln. Nun scheint Bewegung in die Frage nach Sanktionen zu kommen.

Kontosperrungen angedacht

Deutschland drängt bei der Diskussion über Sanktionen gegen die libysche Regierung nun zur Eile. Außenminister Guido Westerwelle nannte am Freitagnachmittag in Berlin vier mögliche Restriktionen der EU gegen Libyen, darunter ein Waffenembargo und ein Reiseverbot für führende Repräsentanten des Landes. "Die Zeit der Appelle ist vorbei. Jetzt wird gehandelt", sagte Westerwelle.

Aus Berliner Kreisen verlautete, dass darauf gesetzt werde, dass der "formale Beschluss" dann Anfang nächster Woche erfolge. Die Details der Sanktionen werden nun von Experten der EU-Staaten ausgearbeitet. Dann muss ein offizieller einstimmiger Beschluss der 27 EU-Staaten erfolgen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte in Budapest, die EU wolle sich mit den Vereinten Nationen abstimmen. Der Sicherheitsrat, in dem auch Deutschland derzeit einen Sitz hat, sollte noch am Freitag über Sanktionen beraten. Eine Abstimmung wurde aber erst für kommende Woche erwartet.

Westerwelle: "Nicht abwarten"

"Wir wollen nicht warten in Europa, bis die ganze Welt handelt", mahnte Westerwelle. "Die Weltgemeinschaft muss den Kurs des Diktators klar sanktionieren." Neben einem Visabann, dem Einfrieren von Vermögen der Familie Gaddafi in Europa und einem Waffenembargo könnten auch Lieferungen von Gütern, die zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können, untersagt werden. Die Schweiz hatte die Konten von Gaddafi und seinem Clan bereits am Donnerstagabend gesperrt, um eine Veruntreuung libyschen Vermögens zu verhindern.

Inzwischen ist die Erkenntnis, dass gehandelt werden muss, auch bei der EU angekommen. Und so verkündete die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitag, dass die Gemeinschaft nun schnell über Sanktionen beraten wolle. Gedacht werde dabei an Kontosperrungen und Reiseverbote für die libysche Führungsriege. Die Schweiz war da wesentlich schneller, hat Konten Gaddafis bereits gesperrt.

Dennoch ist die EU nun schon viel weiter als noch am Montag. Da konnte man sich einfach nicht darauf verständigen, Sanktionen gegen Libyen zu erlassen. Insbesondere Nachbarstaaten wie Zypern, Malta und vor allem Italien sperrten sich dagegen. Nur eines schien auf EU-Ebene zu zählen, und das war die Frage, wie man mit möglichen Flüchtlingsströmen umgehen sollte.

Und so gab es auch Kritik vom deutschen Außenminister, nachdem die Bundesrepublik auf schnelle Sanktionen gedrängt hatte. Guido Westerwelle bezeichnete die Haltung der EU in Bezug auf Sanktionen im Deutschlandfunk als zu zögerlich. Er zeigte sich aber überzeugt, dass die EU nun schnell handeln werde.

Auch Innenminister Thomas de Maiziere kann manchen seiner europäischen Amtskollegen - insbesondere den italienischen - nicht verstehen. "Es gibt keine großen Flüchtlingsströme bisher", erklärte er. Italien sei gefordert, aber noch lange nicht überfordert. Eine Lösung gab es übrigens bis Donnerstagabend nicht.

Ein Problem der Außenbeauftragten

Auch wenn die EU nun beraten will, heißt das noch lange nicht, dass schnell Sanktionen beschlossen werden. Und das zeigt wieder einmal, in welcher Bredouille die europäische Gemeinschaft steckt. Nicht nur, dass viele Staaten in Libyen einen wichtigen Handelspartner haben, den sie mit Strafmaßnahmen nun vergraulen könnten. Auch zeigt es, wie schwerfällig der Apparat in Brüssel ist, um für alle 27 Staaten mit einer Stimme zu sprechen. Oftmals überholt die Wirlklichkeit die Brüsseler Bürokratie.

Diese Problem ist vor allem das der Außenbeauftragten Catherine Ashton. Endlich sollte es mit ihrem Amt eine Stelle geben, die die Positionen der Gemeinschaft nach außen vertritt - mit einer Stimme. Doch von Catherine Ashton war bislang wenig zu vernehmen. Nach Tunesien reiste sie erst recht spät, was ihr Kritik einbrachte, in Ägypten war sie erst gar nicht erwünscht. Und nun fehlen erneut klare Antworten auf den blutigen Machtkampf Gaddafis.

Die französische Tageszeitung "Le Monde" hatte es einst so umschrieben: "Für viele bleibt die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik auch einem Jahr nach ihrem Antritt abwesend." Dass dem nicht so ist, könnte Ashton jetzt beweisen, in dem sie die EU-Staaten schnell auf Sanktions-Kurs bringt - mal ganz abgesehen davon, ob sich Gaddafi von diesen tatsächlich beeindrucken lässt.

Libysche UN-Mission in Genf sagt sich von Gaddafi los

In einer unerwarteten Erklärung hat sich die libysche UN-Mission in Genf am Freitag von Machthaber Muammar el Gaddafi losgesagt und ihre Solidarität mit dem libyschen Volk verkündet. "Wir in der libyschen Mission haben uns entschieden, das libysche Volk und seinen freien Willen zu repräsentieren", sagte einer der libyschen Diplomaten, der aus Angst vor Repressalien namentlich nicht genannt werden wollte, bei einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf zur Lage in dem nordafrikanischen Land. Die überraschende Ankündigung wurde in dem 47 Mitglieder zählenden Gremium mit begeistertem Applaus aufgenommen.

mit Agenturmaterial

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort