Freundliche Worte, leere Hände So lief der Mini-EU-Gipfel zum Asylstreit

Brüssel · Beim Mini-Asylgipfel der EU zeigen sich Italien und Spanien konstruktiv. Die europäische Lösung aber, die die Bundeskanzlerin im Streit mit der CSU so dringend brauchen würde, ist nicht in Sicht.

 Angela Merkel mit ihren Beratern, unter anderem Regierungssprecher Steffen Seibert (links neben ihr), beim EU-Gipfel in Brüssel.

Angela Merkel mit ihren Beratern, unter anderem Regierungssprecher Steffen Seibert (links neben ihr), beim EU-Gipfel in Brüssel.

Foto: dpa/Virginia Mayo

So kontrolliert und konzentriert wie immer erleben die Journalisten Angela Merkel, bevor die Kanzlerin in das Treffen mit den anderen 15 Staats- und Regierungschefs geht. Für sie geht es um viel. Auch wenn das Treffen am Sonntag in Brüssel eine reine Arbeits- und Beratungssitzung ist und keine Entscheidungen geplant sind, so ist dieser Mini-Gipfel atmosphärisch wichtig. Hinterher wird Merkel wissen, ob die anderen „Chefs“ bereit sind, ihr entgegenzukommen. Merkel braucht Ergebnisse.

Die Kanzlerin steht innenpolitisch unter maximalem Druck, weil die CSU ihr ein Ultimatum gestellt hat. Ihr Innenminister Horst Seehofer will bereits Anfang Juli Asylbewerber abweisen, die anderswo einen Antrag gestellt haben, sollte Merkel bis dahin in Brüssel keinen Durchbruch erreichen.

„Ein faires und ehrliches Miteinander“

Wenn Merkel nervös ist, dann weiß sie es jedenfalls gut zu verstecken. Sie ist noch so locker, sich eben nicht als Getriebene der CSU zu präsentieren. Zuerst spricht sie den Schutz der Außengrenzen an. Sie wolle mit ihren Kollegen über eine weitere Sicherung der EU-Außengrenzen reden und darüber, wie die Zahl der irregulären Zuwanderer reduziert werden könne. Erst danach erwähnt sie das Thema, das der CSU so wichtig ist: die Wanderungsbewegungen von Asylbewerbern innerhalb Europas. Sie spricht sich dafür aus, ein „faires und ehrliches Miteinander“ unter den Mitgliedstaaten zu finden, wie diese „Sekundär-Migration“ zu regeln sei. Erneut erklärt Merkel, dass weder beim „Mini-Gipfel“ noch in der großen Runde beim Europäischen Rat Ende der Woche – „leider“ – eine Gesamtlösung gefunden werde. Daher sei es so wichtig, zu Vereinbarungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten zu kommen.

Damit spricht sie die von ihr favorisierten „bi- oder trilateralen“ Absprachen an, die die Rücknahme derjenigen Asylbewerber betreffen, die bereits in einem anderen Land registriert wurden und ihren Asylantrag gestellt haben. Im Unterschied zu Seehofer ist sie aber nicht bereit, Migranten an der Grenze ohne Prüfung zurückzuweisen. Unruhe lässt sie sich nicht anmerken. Sie macht aber deutlich, dass es um viel geht: Die Arbeits- und Beratungssitzung sei „sehr, sehr wichtig“.

Eine Reihe von Vorschlägen zur Eindämmung der „Sekundär-Migration“ hatte die EU-Kommission im Vorfeld des Treffens vorgelegt, an dem 16 Mitgliedstaaten teilnahmen. So schlägt die Kommission etwa vor, dass Asylbewerber nur in dem Land Sozialleistungen bekommen sollen, in dem sie den Antrag auf Asyl gestellt haben. Wer das Land wieder verlässt, in dem das Asylverfahren gestartet wurde, um sich in einem anderen Mitgliedstaat anzusiedeln, soll finanziell bestraft werden.

Es gibt Hinweise, dass Merkels Kollegen verstanden haben, wie ernst die Lage der Kanzlerin ist. Sie senden Signale, dass sie bereit sind, ihr zu helfen. Auch, dass es schnell gehen könne. Da ist etwa der neue spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Der Sozialist versichert: „Spanien hat eine konstruktive Haltung.“ Sein Land stehe für einen gemeinsamen Ansatz der Europäer.

Italiens Zehn-Punkte-Plan

Auch Italiens Regierungschef Giu­seppe Conte lässt aufhorchen. Er kündigt einen Vorschlag für eine komplett neue Ausrichtung der Asylpolitik an. Sein Zehn-Punkte-Plan zielt darauf ab, die Dublin-Regelung zu überwinden. Diese sieht vor, dass das EU-Land für den Migranten zuständig ist, wo er das erste Mal nach Europa eingereist ist.

Italien beklagt schon lange, durch Dublin besonders belastet und benachteiligt zu sein. In Contes Plan, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass alle EU-Staaten zuständig sein müssten: „Wer in Italien landet, der landet in Europa.“ Alle Mitgliedstaaten hätten gemeinsam die Verantwortung für die Migranten, die über das Mittelmeer kämen.

Den Durchbruch zu einer einvernehmlichen Lösung bringt der Mini-Gipfel nicht. Das räumt Merkel ein, als sie nach vierstündigen Beratungen wieder ins Flugzeug nach Berlin steigt: „Wir werden in den nächsten Tagen und nach dem Gipfel weiter an der Lösung arbeiten.“ Einig sei man sich gewesen, den Außengrenzschutz zu stärken und „weitere Abkommen mit Herkunftsstaaten“ nach dem Vorbild des EU-Türkei-Deals zu schließen.

Sie erwähnt nicht die bilateralen Abkommen, die sie braucht, um Seehofers Erwartungen zu erfüllen. Das hat Gründe: Sie ist hier nicht weitergekommen. Italien lehnt derartige Absprachen kategorisch ab. Merkel reist mit leeren Händen ab.

Nicht einmal in der Runde der 16 kann sie einen Durchbruch erreichen. Das zeigt, wie schwer es dann wird, wenn Ende der Woche beim EU-Gipfel auch die Osteuropäer mit am Tisch sitzen, die ohnehin von gemeinsamen Asylregeln nichts wissen wollen.

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