Frankreich wählt Nationalversammlung Es geht um Hollandes Kurs

Paris · In Frankreich sprechen sie bereits vom "troisième tour", dem "dritten Wahlgang". Gut einen Monat nach der Präsidentschaftswahl sind die Franzosen morgen und eine Woche später erneut zu den Urnen gerufen: Diesmal geht es darum, die Nationalversammlung zu bestimmen.

Mai 2012: Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande wird vereidigt
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Die Wahl entscheidet nicht nur über die Mehrheit im Parlament, sondern auch darüber, wie stark die Stellung von Staatspräsident François Hollande sein wird— in Frankreich und in der EU-Politik. Im Falle einer Niederlage müsste er das Regieren in weiten Teilen einem konservativen Premier überlassen.

Die Abgeordneten werden direkt und nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. Erreicht keiner der Bewerber in seinem Wahlkreis im ersten Durchgang die absolute Mehrheit, gehen die am besten Platzierten eine Woche später in die zweite Runde. Teilnehmen darf nur, wer im ersten Durchgang mindestens 12,5 Prozent der Stimmen der wahlberechtigten Bürger erlangt hat.

Hollande, der am 6. Mai mit knapp 52 Prozent ins Amt gewählte Staatschef, hat gute Chancen, mit einer klaren parlamentarischen Mehrheit regieren zu können. "Es ist wahrscheinlich, dass die Wahl den Präsidentschaftswahlsieg bestätigt und ausbaut", prophezeit der Politologe Pascal Perrineau.

Letzte Umfragen vor der Wahl sehen das gesamte linke Lager mit rund 41 bis 46 Prozent der Stimmen vorn, während die bisher regierenden Konservativ-Bürgerlichen auf rund 33 bis 35 Prozent kommen. Fraglich ist indes, ob es der Sozialistischen Partei gelingen kann, die absolute Mehrheit der Stimmen (289 Sitze) allein zu erreichen oder ob sie dafür die Unterstützung ihrer grünen Verbündeten oder gar der extremen Linken benötigt.

Letzteres hätte erhebliche Auswirkungen auf die Färbung des Regierungsprogramms und die Frage, inwiefern Hollande seine Wahlversprechen zu Schuldenabbau und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit umsetzen kann. Eine Haushaltskonsolidierung etwa dürfte mit der Linksfront kaum machbar sein.

Der Wahlausgang beeinflusst auch Hollandes Position zur Bekämpfung der Euro-Krise und seine Fähigkeit, etwa den EU-Fiskalpakt im Parlament durchzusetzen oder auf mögliche Verfassungsänderungen in Richtung einer stärkeren politischen Integration zu drängen, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel angeregt hatte.

Der überzeugte Europäer Hollande dürfte eher bereit sein, der EU-Kommission und dem EU-Parlament mehr Einfluss zuzugestehen, als es der Neo-Gaullist Nicolas Sarkozy war. Doch hat es Hollande im eigenen Lager mit einer Reihe von Euro-Skeptikern zu tun. Sollte der Sozialist auf eine Allianz mit den EU-feindlichen Linksextremen angewiesen sein, brächte ihn dies mit Blick auf das deutsch-französische Verhältnis in Schwierigkeiten.

Nach der Wahlniederlage ihres heimlichen Vorsitzenden Sarkozy droht der UMP der Gang in die Opposition und je nach Ergebnis vielleicht sogar die Auflösung. Schon jetzt streitet UMP-Chef Jean-François Copé mit Ex-Premier François Fillon um die Ausrichtung und Führung der Partei.

Die Krise der UMP versucht die rechtspopulistische Front National (FN) für sich zu nutzen. Nach ihrem Erfolg bei der Präsidentschaftswahl (17,9 Prozent) hatte die Vorsitzende Marine Le Pen angekündigt, die FN zur wichtigsten Oppositionspartei aufzubauen. Der FN wird wohl der Einzug ins Parlament gelingen.

Die zu erwartende hohe Wahlenthaltung dürfte dank der 12,5-Prozent-Hürde den Erfolg aber begrenzen. Meinungsforscher rechnen mit drei bis fünf Mandaten für die FN — trotz eines möglichen Stimmenanteils von 15 Prozent.

(RP/csi/sap)
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