Erstürmung des US-Kapitols Ausschuss empfiehlt Ämterverbot für Trump

Washington · Zwei Tage vor Weihnachten hat der Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitols seinen mit Spannung erwarteten Abschlussbericht vorgelegt. Zu welchem Ergebnis das Komitee gekommen ist und welche Konsequenzen gefordert werden.

Sturm auf US-Kapitol: Bilder zeigen die Krawalle in Washington
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Trump-Anhänger stürmen Kapitol in Washington

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Foto: AP/Manuel Balce Ceneta

Am Ende musste alles zügig gehen. Wie schnell, das lässt sich an dem Platzhalter auf der Titelseite des Abschlussberichts ablesen. Als der mehr als 800 Seiten starke Report am späten Donnerstagabend das Licht der Welt erblickte, führte er als Datum „December 00, 2022“ an. Der Überraschungsbesuch Wolodimir Selenskyjs im Kongress hatte das über 18 Monate wie ein Räderwerk arbeitende Komitee aus sieben Demokraten und zwei Republikanern aus dem Takt gebracht.

Bei der Freigabe vor den Festtagen fehlten auch noch die angekündigten Transkripte hochrangiger Zeugen, die das Komitee vernommen hatte. Darunter die von Ivanka Trump, Jared Kushner, Donald Trumps Hausanwalt Rudy Giuliani, der Sprecherin des Weißen Hauses Kayleigh McEnany, Justiziar Pat Cipollone und des „Secret Service“-Manns Tony Ornato. Es wird nun erwartet, dass diese und andere Mitschriften der rund eintausend vernommenen Zeugen wenige Tage vor dem Mehrheitswechsel im Repräsentantenhaus am 3. Januar veröffentlicht werden.

Trump als Hauptverantwortlicher ausgemacht

So groß das Durcheinander um die Publikation des Abschlussberichts, so eindeutig sein Befund. „Der zentrale Grund für den 6. Januar war ein Mann, der frühere Präsident Donald Trump, dem viele andere folgten“, heißt es in der Zusammenfassung, die das Komitee den acht Kapitel vorangestellt hat, die noch einmal schriftlich die Ergebnisse der öffentlichen Anhörungen aus dem Juni und Juli dokumentieren. Der Sturm auf das Kapitol sei der letzte Teil „eines mehrteiligen Plans“ gewesen, „das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2020 zu kippen“.

Unter Berufung auf den 14. Verfassungszusatz der Vereinigten Staaten empfiehlt das Komitee, Trump von der künftigen Ausübung öffentlicher Ämtern zu verbannen. Der Kongress sollte dafür einen Mechanismus schaffen, der die Anstifter des Aufstands gegen die Vereinigten Staaten vom 6. Januar disqualifiziert.

Trump reagierte auf seinem eigenen Netzwerk im Internet mit dem üblichen Vorwurf einer „Hexenjagd“ auf ihn. Er hielt „dem hoch parteiischen Komitee“ vor „absichtlich das Versagen (Nancy) Pelosis verschwiegen zu haben, meine Empfehlung für Truppen in DC zu folgen“. Tatsächlich gibt es keinen Beleg, dass der Ex-Präsident jemals Sicherheitskräfte angefordert hat. Die „Speakerin“ war zudem nicht allein für die Kapitolspolizei zuständig, sondern gemeinsam mit dem Senatsführer der Republikaner Mitch McConnell.

Komitee empfiehlt Strafverfolgung von Trump

Das Komitee hatte bereits vor Veröffentlichung des Abschlussberichts am Montag bei seiner letzten öffentlichen Sitzung zum ersten Mal in Geschichte der USA, die Strafverfolgung eines ehemaligen Präsidenten empfohlen. Die Ermittler im Repräsentantenhaus sahen genügend Beweise für eine Anklage in vier Punkten:

  1. Behinderung offizieller Amtsgeschäfte des US-Kongresses
  2. Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten
  3. Gesetzwidrige, falsche oder vorsätzlich falsche Aussagen gegenüber der Regierung und
  4. Hilfe oder Mitwirkung an einer Rebellion gegen die Vereinigten Staaten

In den einzelnen Abschnitten führt der Bericht detailliert aus, wie Trump bereits in der Wahlnacht „die große Lüge“ von den angeblich gestohlenen Wahlen verbreitete. Eine Behauptung, die von allen Gerichten, vor denen er die Ergebnisse angefochten hatte, zurückgewiesen war.

Nachlesen lässt sich noch einmal, wie der mit sieben Millionen Stimmen abgewählte Präsident dann in „mindestens 200“ Instanzen versucht hat, Druck auf Gesetzgeber und Wahlbeamte in den Bundesstaaten auszuüben, die Wahlergebnisse zu manipulieren. Allen voran den für die Wahlen im Bundesstaat Georgia zuständigen Innenminister Brad Raffensperger, den er laut Mitschnitt eines Telefonats anwies, ihm die für einen Sieg fehlenden „11.780 Stimmen zu finden“. Dieser weigerte sich ebenso wie der Sprecher des Parlaments von Arizona, Rusty Bowers.

In allen Einzelheiten beschreibt der Abschlussbericht die Details des Plans, mithilfe gefälschter Wahlleutelisten aus sieben Bundesstaaten einen Anlass zu schaffen, die Wahlergebnisse im Kongress nicht zu zertifizieren. „Präsident Trump hat persönlich die Aufsicht geführt“, heißt es zu dem Betrugsschema, an dem auch Hausanwalt Giuliani, der frühere Stabschef im Weißen Haus, Mark Meadows, und die Parteichefin der Republikaner, Ronna McDaniel, mitgewirkt haben.

Dargestellt wird auch der Druck auf Vizepräsident Mike Pence, der sich weigerte, die Beglaubigung der Ergebnisse in der zeremoniellen Sitzung am 6. Januar zu verweigern. Und die Planung der Gewalt durch Trump, der beim Aufruf zu der Kundgebung seinen Anhängern versprochen hatte, es werde „wild“. Bei seiner Rede auf der Eclipse vor dem Weißen Haus hetzte er die Menge auf, versprach, mit ihr zum Kongress zu marschieren, und versuchte wiederholt, zu den Aufständischen zu stoßen.

Über 187 Minuten saß er im Weißen Haus und tat, trotzt vergeblicher Versuche hoher Mitarbeiter, nichts, die Gewalt zu stoppen. Der Abschlussbericht führt in einigen Details aus, wie Trump rechtsradikale Gruppen, wie die „Proud Boys“, „Oath Keepers“ oder die Gefolgsleute des Rassisten Nick Fuentes, den er kürzlich in Mar-A-Lago bewirtete, die Speerspitze des Sturms auf den Kongress bildeten.

Die Co-Vorsitzende des Komitees, die Republikanerin Liz Cheney, schreibt in dem Vorwort des Abschlussberichts, die Ermittlungen im Kongress seien „nur ein Anfang“. Nun liege es an den Staatsanwälten, „die Implikationen des Verhaltens zu bedenken, die wir in diesem Report beschrieben haben.“ Das Komitee hat dem Justizministerium bereits die Unterlagen bereitgestellt, die es für seine parallelen Ermittlungen nutzen kann. Mit der Entscheidung über eine mögliche Anklage wird im neuen Jahr gerechnet.

Cheney fordert von ihrer eigenen Partei Konsequenzen aus dem Geschehen zu ziehen. Eine „Tragödie des 6. Januar“ sei das Verhalten derer, die wussten, „dass das Geschehen grundfalsch war, aber versuchten, es herunterzuspielen“. Die Republikaner haben bereits angekündigt, ihre hauchdünne Mehrheit im Repräsentantenhaus nutzen zu wollen, die Arbeit des Komitees und seine Befunde zu diskreditieren.

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