Proteste in Ägypten eskalieren Erneut Tote bei schweren Ausschreitungen

Kairo · Rund eine Woche vor Beginn der ersten Parlamentswahl seit dem Sturz von Ex-Machthaber Husni Mubarak ist es am Wochenende in Ägypten zu den schlimmsten Ausschreitungen seit Monaten gekommen. Am Samstag wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei auf dem Tahrir-Platz in Kairo sowie in Alexandria mindestens zwei Menschen getötet und fast 700 verletzt.

Auch am Sonntag ging die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen gegen tausende Menschen vor, die in der ägyptischen Hauptstadt und in anderen Städten gegen den regierenden Militärrat unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi demonstrierten. Sie fordern die Bekanntgabe eines Termins, an dem der Rat die Macht an eine gewählte Regierung übergibt.

Zu den Auseinandersetzungen kam es, als Polizisten am Samstagmorgen ein Zeltlager auf dem Tahrir-Platz mit Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen stürmten und die rund 200 dort campierenden Aktivisten vertrieben. Ein 23-jähriger Aktivist in Kairo sei einer Schussverletzung erlegen, meldete das Gesundheitsministerium. In Alexandria wurde nach Angaben eines Sicherheitsbeamten mindestens ein Demonstrant getötet.

18 Menschen festgenommen

Mehrere hundert Menschen hatten auf dem Platz ausgeharrt, nachdem sich am Freitag Zehntausende versammelt hatten. Menschenrechtler warfen den Sicherheitskräften unangemessene Gewalt vor. So habe ein Demonstrant durch ein Gummigeschoss sein rechtes Auge verloren.

Die Nachricht von den Zusammenstößen verbreitete sich rasch in der ägyptischen Hauptstadt, immer mehr Menschen strömten zusammen, bis die Menge auf mehrere Tausend anschwoll. Die Sicherheitskräfte wurden ebenfalls auf mehrere Tausend aufgestockt. Demonstranten warfen Steine und setzten ein gepanzertes Fahrzeug in Brand. 18 Menschen wurden Berichten des staatlichen Fernsehens zufolge festgenommen.

Regierung ruft zur Räumung auf

Am Abend strömten tausende weitere Menschen auf den Platz. Die Polizei zog sich zunächst zurück, rückte aber kurz vor Mitternacht erneut mit Tränengas vor. Die Demonstranten reagierten mit Steinwürfen auf die Sicherheitskräfte.

Ministerpräsident Essam Scharaf rief die Aktivisten auf, den Platz zu räumen. "Was auf dem Tahrir-Platz passiert, ist sehr gefährlich", warnte das Kabinett in einer Erklärung. Der Kurs der Nation und der Revolution werde gefährdet.

"Wir haben eine einzige Forderung, der Marschall muss zurücktreten und von einem Zivilrat ersetzt werden, sagte ein Demonstrant, der durch ein Gummigeschoss an der Stirn verletzt worden war. Tantawi war unter Mubarak lange Zeit Verteidigungsminister. Die Gewalt gegen die Demonstranten zeige, dass Mubarak noch an der Macht sei.

Am Sonntagmorgen war der Tahrir-Platz übersät mit Steinen, Glasscherben und Müll. Hunderte Demonstranten campierten auf dem Rasen einer Verkehrsinsel auf dem Platz. Alle Zufahrtsstraßen wurden von Demonstranten blockiert, die Ausweiskontrollen durchführten.

Proteste auch in Alexandria und Suez

Proteste wurden auch aus Suez gemeldet. Dort griffen Demonstranten eine Polizeiwache an. Die Polizei reagierte laut Augenzeugenberichten mit Tränengas, Soldaten griffen ein. In Alexandria hätten Hunderte Demonstranten das Hauptquartier der Sicherheitskräfte mit Steinen beworfen, erklärte ein Demonstrant. Es habe sich so angefühlt, als würde die Revolution noch einmal von vorne beginnen, sagte er.

Der Militärrat hat wiederholt versprochen, die Macht nach den Präsidentschaftswahlen Ende nächsten oder Anfang übernächsten Jahres an eine gewählte Regierung zu übergeben, aber bislang kein genaues Datum genannt. Den Demonstranten dauert das zu lang, sie werfen dem Militärrat vor, die Entscheidung unnötig in die Länge zu ziehen, und fordern eine Machtübergabe direkt nach dem Ende der Parlamentswahlen im März.

Israelischer Botschafter kehrt nach Kairo zurück

Unterdessen kehrte der israelische Botschafter laut Flughafenpersonal nach Kairo zurück. Die israelischen Diplomaten wurden im September ausgeflogen, nachdem Tausende Ägypter zunächst vor der Botschaft demonstriert und diese dann angegriffen hatten.
Sie protestierten unter anderem gegen den Friedensvertrag ihres Landes von 1979 mit Israel, an dem auch der im Februar gestürzte Mubarak festgehalten hatte.

(AP)
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