Ex-Soldat war Vernehmer in Abu Ghraib Eric Fair: "Ich spüre immer noch die Qualen"

New York · Der Bericht zu den CIA-Foltermethoden ist in den USA kontrovers diskutiert worden. Die Beteiligten von damals beharren darauf, dass damit Anschläge verhindert worden seien. Einer, der an der Folter im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib im Irak beteiligt war, ist der frühere US-Soldat Eric Fair. In der "New York Times" schildert er nun, wie ihn die Erlebnisse von damals auch heute noch umtreiben.

Wochenlanger Schlafentzug, Waterboarding-Verhöre, Schläge in den Unterleib — der Bericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats zeigt detailliert auf, wie die CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 foltern ließ. Die Methoden waren meist bekannt, das gesamte Ausmaß der Folter dagegen nicht. Es ist das wohl dunkelste Kapitel in der jüngeren Geschichte der USA, das durch den Folterskandal in Abu Ghraib ans Licht kam.

Es war im Jahr 2004, als die Folter-Fotos aus Abu Ghraib um die Welt gingen. Damals hatten die US-Behörden noch von einem Einzelfall gesprochen. Inzwischen ist klar, dass es weit mehr Geheimgefängnisse der CIA gab und weit mehr gefoltert wurde. Einer, der damals zu den Vernehmern in dem berüchtigten Gefängnis im Irak zählte, war Eric Fair. Schon vor Jahren hatte er seine Geschichte öffentlich gemacht und beschrieben, wie die Folter-Praxis damals aussah. In der "New York Times" schreibt er nun: "Mir kann für Abu Ghraib nicht vergeben werden."

"Ich war ein Vernehmer in Abu Ghraib. Ich habe gefoltert" — es sind diese beiden einfachen Sätze, die Fair gleich mehrfach schreibt. Um zu verdeutlichen, wer er ist. Um nichts zu beschönigen. "Abu Ghraib beherrscht mich jede Minute an jedem Tag", so Fair. "Ich spüre immer noch die Qualen. Ich höre immer noch die Schreie. Ich sehe immer noch die Männer, die wir Gefangene genannt haben."

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"Ich versichere ihnen, da ist mehr"

Der Inhalt des Senats-Bericht, schreibt der Veteran, habe viele überrascht, ihn dagegen nicht. "Ich versichere ihnen, da ist mehr, vieles bleibt unter Verschluss", schreibt Fair. Viele Amerikaner hätten den Bericht nicht gelesen und würden es nicht tun, aber er sei als permanente Erinnerung daran zu sehen, "was für ein Land wir einst waren". Ein Land, das foltern ließ, um Anschläge zu verhindern und Al-Qaida-Chef Osama bin Laden zu fassen. Dass dies niemals in Vergessenheit gerät, dafür will auch Eric Fair sorgen.

Er beschreibt in dem Artikel, dass er in diesem Semester kreatives Schreiben an der Lehigh-Universität gelehrt habe. Als es schließlich um das Schreiben über den Krieg gegangen sei, sei auch seine Vergangenheit Teil des Kurses gewesen. Er habe die Studenten aufgefordert, ihm ihre Erinnerungen an die Zeit zu schildern, als der Abu-Ghraib-Skandal ans Licht kam — bis er realisierte, dass sie damals noch in der Grundschule waren. In diesem Moment habe er gespürt: "Abu Ghraib wird verschwinden. Meine Verstöße werden vergessen sein. Aber nur, wenn ich das erlaube."

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Foto: dpa, epa Shane T. McCoy

Wenn er wollte, müsste er nicht länger die Schuld für seine Rolle als früherer Vernehmer in Abu Ghraib übernehmen, schreibt er weiter. Aber genau das tue er nicht, denn "Ich war ein Vernehmer in Abu Ghraib. Ich habe gefoltert".

An welchen grausamen Verhörmethoden er damals beteiligt war, das schreibt er in dem Artikel nicht, denn "Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt." Schon vor Jahren gab er dutzende Interviews dazu, schrieb Artikel darüber. So wie 2007 in der "Washington Post". Darin berichtete er von einem Albtraum, den er immer wieder gehabt habe, seit er aus dem Irak zurückgekehrt sei. Fast jede Nacht begegnet ihm darin einer der Männer, die er damals mitverhört hat.

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Foto: dapd

Für diesen Mann habe er von seinem Vorgesetzten genaue Anweisungen erhalten für seine Zwölf-Stunden-Schicht. Eine davon war Schlafentzug. Jede Stunde habe er in die Zelle gehen, ihn in eine Ecke drängen sollen und ihn dazu anhalten, seine Kleidung auszuziehen. Er habe einen Gefangenen in seiner Obhut nicht beschützt, er habe nicht die Standards menschlichen Anstandes eingehalten, beschreibt er seine Fehler von damals in dem Artikel.

Auch von anderen Foltermethoden, die er mitbekommen hatte, berichtet er darin. "Ich habe gesehen, wie Gefangene dazu gezwungen wurden, die ganze Nacht nackt zu stehen, sie zitterten in ihren kalten Zellen und flehten ihre Aufseher um Hilfe an. Andere wurden lange Zeit in stockfinsteren Räumen isoliert. Essen- und Schlafentzug waren an der Tagesordnung", schrieb Fair. Er schrieb auch von Schlägen und Tritten.

Er schrieb zudem, dass Männer wie er viel zu lange geschwiegen hätten über ihre Erlebnisse. Aber die Erinnerungen daran gehörten nicht ihm, sondern der Geschichte. Deshalb hatte er sich auch dafür entschieden, seine Geschichte öffentlich zu machen. Und dass sie niemals in Vergessenheit gerät, dafür hat er mit seinem jetzigen Artikel in der "New York Times" erneut gesorgt.

(das)
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