Erstmals seit 1988 linke Wahlmehrheit Erdrutschsieg für Frankreichs Sozialisten

Paris (rpo). Bei den Regionalwahlen in Frankreich haben die Linksparteien einen Erdrutschsieg verbucht und erstmals seit der Präsidentschaftswahl 1988 die absolute Mehrheit errungen. Premierminister Jean-Pierre Raffarin kündigte noch am Wahlabend einen Kurswechsel an. Für die konservativ-liberalen Regierungsparteien war es ein beispielloses Debakel.

<P>Paris (rpo). Bei den Regionalwahlen in Frankreich haben die Linksparteien einen Erdrutschsieg verbucht und erstmals seit der Präsidentschaftswahl 1988 die absolute Mehrheit errungen. Premierminister Jean-Pierre Raffarin kündigte noch am Wahlabend einen Kurswechsel an. Für die konservativ-liberalen Regierungsparteien war es ein beispielloses Debakel.

Damit stehen die Zeichen auf eine umfassende Kabinettsumbildung. Unklar war am Montagvormittag weiter, ob Staatspräsident Jacques Chirac auch Premierminister Jean-Pierre Raffarin entlässt. Der Vorsitzende der triumphierenden Sozialisten, François Hollande, sagte, die Wähler hätten am Sonntag auch den Präsidenten abgestraft.

Die von den Sozialisten angeführte linke Opposition erzielte im zweiten Wahlgang 50,3 Prozent der Stimmen und siegte in 20 der 22 Regionen im französischen Mutterland - nur das Elsass wird weiter von Chiracs Regierungspartei UMP und der zentrumsdemokratischen UDF regiert. Unklar war die Lage auf Korsika, wo sieben Listen antraten. UMP und UDF kamen zusammen auf nur 37 Prozent, die Nationale Front von Jean-Marie Le Pen 12,6 Prozent.

Mit einem Erdrutschsieg entriss die Linke der Rechten fast alle ihre Hochburgen: Raffarins Heimatregion Poitou-Charentes, erstmals die Bretagne sowie die Auvergne, wo Ex-Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing als Regionalpräsident abgewählt wurde, Picardie, Franche-Comté, Languedoc-Roussillon, Burgund aber auch Pays-de-la-Loire, wo überraschend Sozialminister François Fillon geschlagen wurde.

Gleichzeitig behaupteten sich Sozialisten, Grüne und Kommunisten klar in allen acht bislang von ihnen gehalteten Regionen, darunter der Hauptstadtregion Ile-de-France und Provence-Alpes-Côte-d'Azur um Marseille.

Das Wahlergebnis stelle direkt Präsident Chirac in Frage, sagte PS-Chef Hollande: Er habe Raffarin vor zwei Jahren zum Premierminister gemacht und er gebe die großen Linien der Politik vor. Der Sieg vom Sonntag sei der größte Sieg der Linken seit dem Triumph von François Mitterrand bei der Präsidentschaftswahl 1981.

Neues Ministerium für "sozialen Zusammenhalt"?

Raffarin kündigte am Sonntagabend an, aus dem Wahldesaster Lehren ziehen zu wollen. Soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung müssten künftig im Mittelpunkt der Reformpolitik stehen. Der Rechtsliberale äußerte sich nicht zu seiner persönlichen Zukunft. Der UMP-Vorsitzende und Chirac-Vertraute Alain Juppé sagte, die Wähler hätten ihre große Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, jedoch nicht gegenüber einer Person.

Als möglicher neuer Premierminister wurde in Paris der populäre Innenminister Nicolas Sarkozy gehandelt, der jedoch zugleich der schärfte innerparteiliche Rivale von Chirac ist und keinen Hehl aus seinen Ambitionen auf das Präsidentenamt macht. Der neue Regierungsschwerpunkt könnte in der Schaffung eines Superministeriums für "sozialen Zusammenhalt" Ausdruck finden, mit dem Chirac-Vertrauten Jean-Louis Borloo an der Spitze.

Der Premierminister wird in Frankreich vom Präsidenten ernannt, kann aber von der Nationalversammlung mit einem Misstrauensvotum gestürzt werden. Doch verfügt Chiracs UMP im Parlament über eine klare Mehrheit.

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