Trump bahnt Auslieferung des Predigers an Was hinter Erdogans Dauerfehde mit Gülen steckt

Saylorsburg/Ankara · Seit Jahren fordert der türkische Staatspräsident die USA auf, den islamischen Prediger Fethullah Gülen auszuliefern. Ankara macht ihn für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich und verfolgt dessen Anhänger rigoros.

Fethullah Gülen lebt seit 1999 in Saylorsburg im US-Bundesstaat Pennsylvania im selbstgewählten Exil (Archivbild).

Fethullah Gülen lebt seit 1999 in Saylorsburg im US-Bundesstaat Pennsylvania im selbstgewählten Exil (Archivbild).

Foto: dpa/dpa, tb pt wst jhe

Vor gut zwei Wochen trafen sich die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrienationen zu ihrem gemeinsamen Gipfel in Buenos Aires. Schon im Vorfeld war das Treffen etwas Besonderes: Die Welt berichtete aufgeregt über den defekten Regierungsflieger von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu spät in Argentinien eintraf. Geredet wurde dann über den Welthandel, den Klimaschutz und Migration. Und wie bei derlei Gipfeln mittlerweile üblich, verhinderten die USA einstimmige Beschlüsse. Brisant könnte nun ein Treffen am Rande des Gipfels gewesen sein. US-Präsident Donald Trump und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sollen über die Auslieferung des türkischen Predigers Fethullah Gülen gesprochen haben. Das berichtet die türkische Regierung.

Gülen gilt seit Langem als Erzfeind Erdogans. Seit 1999 lebt er in Saylorsburg im US-Bundesstaat Pennsylvania im selbstgewählten Exil. Seine Auslieferung ist ein zentraler Konflikt zwischen den USA und der Türkei. Gerüchte über eine mögliche Überstellung des Predigers waren bereits Mitte November aufgetaucht. Der Sender NBC hatte damals berichtet, dass das Weiße Haus bei verschiedenen Behörden Erkundigungen über rechtliche Möglichkeiten eingezogen habe, Gülen außer Landes zu bekommen. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums hatte dies damals dementiert.

Der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung, Ercan Karakoyun, glaubt ebenfalls nicht an eine Auslieferung Gülens an die Türkei. „Die türkische Regierung verbreitet derlei Meldungen gerne, um Teilen der Bevölkerung zu signalisieren, sie stünden kurz vor einer Einigung in dem Fall. Dem ist aber nicht so“, sagte Karakoyun unserer Redaktion. Die Stiftung Dialog und Bildung ist die zentrale Institution der Gülen-Bewegung (Hizmet) in Deutschland. Er habe großes Vertrauen in die amerikanische Justiz, die sich trotz Donald Trump gerecht und unbefangen zeige, so Karakoyun. „Fethullah Gülen würde in der Türkei kein faires Gerichtsverfahren erhalten. Das wissen die US-Behörden. Zudem ist Gülen Besitzer einer Greencard. Und er hat kein Verbrechen begangen – weder nach türkischem noch nach amerikanischem Recht.“

Erdogan macht den 77-Jährigen für den blutigen Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich. Ausreichende Beweise dafür liegen indes nicht vor. Seitdem greift die türkische Regierung gegen angebliche Mitglieder der Bewegung Gülens (Hizmet) durch. Bisher wurden rund 218.000 Menschen festgenommen, die mutmaßlich zu den Putschisten gehörten. Mehr als 140.000 Beamte und Soldaten wurden entlassen. Erst am Freitag erließ die Staatsanwaltschaft Istanbul 219 neue Haftbefehle gegen Offiziere und Unteroffiziere, die verdächtigt werden, zur Gülen-Bewegung zu gehören.

In Deutschland hatte in dem Zusammenhang 2017 ein Fall im Umfeld des türkischen Islamverbands Ditib die Gemüter erregt. Die türkische Religionsbehörde in Ankara, die der Ditib offiziell übergeordnet ist, hatte Imame des Islamverbands dazu aufgerufen, hierzulande lebende Anhänger der Gülen-Bewegung der türkischen Regierung zu melden. Die Spitzelaffäre ging bis zum Generalbundesanwalt, der in dem Fall ermitteln ließ.

Die Gülen-Bewegung betreibt in Deutschland zahlreiche Schulen und Nachhilfezentren. Sie hat sich nach eigenen Angaben ausschließlich der Bildung verschrieben. Aussteiger berichten jedoch von sektenähnlichen Strukturen. Die Bundesregierung ist ebenfalls skeptisch.  Alle Quellen seien sich einig, dass die Bewegung des Islam-Predigers Fethullah Gülen seit Jahrzehnten eine „gezielte Unterwanderung staatlicher Institutionen“ in der Türkei betreibe, bilanzierte die deutsche Botschaft in Ankara im Februar. So steht es in einem internen Bericht, den der „Spiegel“ einsehen konnte. Martin Erdmann, deutscher Botschafter in Ankara, sagte der türkischen Tageszeitung „Cumhuriyet“, die Bundesregierung habe sich lange Zeit schwergetan, die Aktivitäten der Gülen-Bewegung zu verstehen.

Fethullah Gülen beendete 1981 seine Predigerkarriere, um sich ganz dem Aufbau seiner Bewegung zu widmen. Später sympathisierte er sogar mit Erdogan. Die AKP, die Erdogan gegründet hatte, gewann 2002 dank Gülens Hilfe erstmals eine Parlamentswahl. Es sollten zwei weitere folgen (2007 und 2011). Erdogan revanchierte sich: Anhänger Gülens stiegen im Staatsapparat auf. Gülen wurde zum Koalitionspartner ohne Partei. Doch nachdem alle politischen Gegner der beiden ausgeschaltet waren, zerbrach die Allianz am Streit um die Aufteilung der Kriegsbeute. Erdogan, damals noch Ministerpräsident, ließ die Nachhilfezentren Gülens schließen. Damit versiegte eine der wichtigsten Einnahmequellen der Hizmet-Bewegung.

Kurz darauf wurden der Presse Mitschnitte geheimer Telefonate von Erdogan und seinen Angehörigen zugespielt. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Korruptionsermittlungsverfahren gegen Erdogan ein, der hinter all dem Gülen vermutete. Erdogan erklärte Hizmet zur terroristischen Vereinigung. Eine weltweite Hetzjagd begann.

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