Korruptionsskandal in der Türkei Erdogan schasst 70 Polizei-Chefs

Istanbul · Die Regierungsgegner in der Türkei haben ein neues Symbol: mit Geldscheinen gefüllte Schuhkartons, wie sie Demonstranten am Wochenende in Istanbul und Ankara anklagend in die Luft reckten.

Proteste gegen Erdogan in der Türkei
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Versteckt in solchen Kartons sollen Polizisten beim Direktor der staatlichen Halkbank 4,5 Millionen Dollar gefunden haben. Bankdirektor Süleyman Aslan sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft, wie auch die Söhne zweier Minister.

Der Korruptionsskandal, der derzeit das Land erschüttert, stellt den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor die größte Herausforderung seiner Amtszeit Es geht um illegale Baugenehmigungen, die gegen Schmiergeld erteilt worden sein sollen. Mehr als ein Jahr lang ermittelten Polizei und Justiz geheim, ohne dass die Regierung davon erfuhr. Denn einer der Verdächtigen ist ausgerechnet der Sohn von Innenminister Muammer Güler, der der Polizei vorsteht.

Für Erdogan wird es eng

Premier Erdogan geißelte die Ermittlungen empört als "dreckige Operation" gegen seine islamisch-konservative Regierung, die auf seinen Sturz abziele. Zudem lässt Erdogan den Polizeiapparat umkrempeln. Seit den Razzien wurden rund 70 ranghohe Polizisten suspendiert oder versetzt, die Zeitung "Hürriyet Daily News" sprach von einer "massiven Säuberungsaktion".

Trotz der zur Schau getragenen Empörung gerät Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zunehmend in Bedrängnis. Dass Söhne seiner Minister darin verwickelt sind, lässt den Korruptionsskandal nah an den Ministerpräsidenten heranrücken. Hintergrund des Skandals ist offenbar ein Streit des Regierungschefs mit dem in den USA lebenden islamistischen Prediger Fetullah Gülen. In der Justiz und im Polizeiapparat gilt die Gülen-Bewegung als besonders einflussreich.

Die Staatsanwaltschaft brachte den Skandal am Dienstag mit der frühmorgendlichen Festnahme von dutzenden hohen Funktionsträgern und Familienmitgliedern von Erdogans Ministern ins Rollen. Auch gegen den Chef der staatlichen Bank Halkbank, Süleyman Aslan, und einen Bauunternehmer wurden Strafverfahren eingeleitet. Der schwerwiegende Verdacht: Der Ring soll illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem sanktionsbelegten Iran eingefädelt und organisiert haben. Den Verdächtigen werden unter anderem Bestechung hoher Regierungsmitglieder, Betrug und Geldwäsche vorgeworfen.

Erdogan verurteilte das Vorgehen der Justiz als Schmierenkampagne und reagierte mit der Umbesetzung von Schlüsselposten. "Einige Botschafter sind in Provokationen verwickelt. Wir sind nicht gehalten, Sie in unserem Land zu lassen", sagte er am Samstag in Samsun am Schwarzen Meer an die Adresse nicht näher genannter Diplomaten. Beobachter vermuten, die Drohung richte sich insbesondere gegen US-Botschafter Francis Ricciardone.

Ricciardone hatte laut türkischen Medien gegenüber EU-Vertretern erklärt, Washington dränge die im Zentrum des Skandals stehende Halkbank, ihre Geschäfte mit dem Iran zu stoppen. Ricciardone bezeichnete die Berichte am Samstag als "unbegründete Behauptungen". Niemand dürfe mit haltlosen Unterstellungen die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei schädigen, erklärte er auf Twitter.

In dem Schwarzmeerort Giresun in der gleichnamigen Provinz kündigte Erdogan am Sonntag an, mit Härte gegen diejenigen vorzugehen, die versuchten, die Korruptionsvorwürfe zur Untergrabung seiner Macht zu nutzen. "Wer auch immer es wagt, Schaden anzurichten, aufzuwiegeln oder Fallen in diesem Land zu stellen, dem werden wir die Hände brechen", drohte Erdogan vor Anhängern.

In Istanbul ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen tausende Demonstranten vor, die am Sonntag gegen die Regierung protestierten. Rund zehntausend Menschen versammelten sich beim Kadikoy-Platz im asiatischen Teil der Bosporus-Metropole. Sie protestierten gegen Korruption und Bauprojekte der Regierung.

(AFP/RP)
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