14.000 Tote in den 30er-Jahren Erdogan entschuldigt sich für Kurdenmassaker

Ankara · Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich am Mittwoch erstmals für die Tötung von fast 14.000 Kurden in der Region Dersim (heute Tunceli) zwischen 1936 und 1939 entschuldigt. Zugleich forderten Abgeordnete von Erdogans islamischer Regierungspartei AKP eine Untersuchung der Morde.

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Truppen der damals gerade gegründeten türkischen Republik hatten in Dersim Kurden, die sich der Zentralmacht widersetzten, brutal niedergemetzelt. "Anstatt nach einem Schuldigen zu suchen, sollten wir uns der Geschichte stellen", sagte der Abgeordnete Mustafa Elitas. Der Historiker und Forscher Mustafa Armagan erklärte dem staatlichen Fernsehsender TRT, auf die militärischen Angriffe seien verschärfte Vertreibung, Massaker und eine Politik der Assimilation gefolgt. Der Abgeordnete Hüseyin Aygun von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (RP) sagte, ein Dutzend seiner Verwandten seien in Dersim getötet worden.

Erdogan entschuldigte sich in einer Atmosphäre der Spannungen zwischen der Türkei und ihrer kurdischen Minderheit. Der Schritt löste zugleich Rufe nach der Aufarbeitung eines anderen dunklen Kapitels der türkischen Geschichte aus: der Massentötungen von Armeniern im Jahr 1915.

Die Regierung Erdogan bekämpft bis heute kurdische Rebellen, die für Autonomie kämpfen. Ungeachtet von Versuchen, eine friedliche Lösung herbeizuführen, zeigt sie sich entschlossen, die Aufständischen niederzuschlagen, sofern diese nicht ihre Waffen niederlegen. In dem Konflikt sind seit 1984 Zehntausende Menschen getötet worden. Es ist der jüngste von vielen Aufständen im kurdischen Südosten der Türkei.

Herausforderung für Oppositionschef Kilicdaroglu

Bei der Entschuldigung Erdogans könnte es sich um eine politische Taktik mit dem Ziel zu handeln, das Ansehen des RP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu zu beschädigen. Die RP stellte zur Zeit der Massaker von Dersim die Regierung in der Türkei. Kilicdaroglu selbst stammt aus Tunceli (Dersim). "Ich werde mich entschuldigen, und Sie?", fragte Erdogan in einer Fernsehansprache. "Wenn es die Notwendigkeit einer Entschuldigung vonseiten des Staates gibt, wenn so etwas üblich ist, dann entschuldige ich mich", sagte Erdogan.

Der Ministerpräsident fügte hinzu, eines der größten Hindernisse für die Türkei auf dem Weg zu mehr internationalem Einfluss sei, "dass sie sich ihrer Vergangenheit, Geschichte, Tabus und Ängsten nicht stellt".

Auch die Armenier-Massaker in der Türkei bisher unbewältigt

Die Türkei steht auch wegen der Anerkennung weiterer dunkler Kapitel ihrer Geschichte unter Druck. Es geht dabei insbesondere um die Armenier-Massaker von 1915, eine spezielle Reichensteuer für die Juden im Jahre 1940 und Angriffen auf die griechische Minderheit 1955.

Die Tötung von bis zu 1,5 Millionen Armenier und die Vertreibung vieler weiterer im Osmanenreich ist das Haupthindernis für eine Aussöhnung der Türkei mit Armenien. Die Armenier versuchen seit langem, andere Regierungen dazu zu bringen, dies als Völkermord einzustufen. Ankara weist den Begriff Völkermord jedoch zurück. Zur Begründung heißt es, die Zahlen seien übertrieben, und es habe damals beim Zusammenbruch des Osmanenreichs auf beiden Seiten viele Tote gegeben.

(APD)
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